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Kalter Sinn. Der medienarchäologische Blick, das ...

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Jenseits von Ikonologie ist die Allianz von Kybernetik undKino eine praktische. Seelenapparate und Psycho-Technikenpraktizieren einen <strong>Blick</strong>, der sich der Ekphrasis entzieht. 188Ernst Jünger sah in Kino-Lichtspielen einen „außerordentlichenGrad von kalter Grausamkeit zum Ausdruck kommen“ .„Aufschlußreich ist auch die Neigung zur mathematischen Figur,wie sie etwa durch die Begleitung und Unterbrechnung derHandlung durch maschinelle Vorgänge hervorgerufen wird“.Die damit angesprochene Verbindung des kalten <strong>Blick</strong>s, derMaschine und der Mathematik aber eskaliert im ZweitenWeltkrieg. Eine Sichtweise der Alliierten betrachtete denFeind nicht - wie NS-Deutschland -als die rassistische Version eines geführchteten Gegners, sondern eher als <strong>das</strong> anonyme Ziel von Luftangriffen. Aus der Ferne, aus eisigen Höhen von 9000 Metern wirkte eine deutsche Stadt klein, einzelne Personenwaren unsichtbar und damit ihrer Eigenart teilweise beraubt. Nachdem er eine Flut von Briefen vonFliegernbekommen hatte, berichtete ein englischer Zensor des Luftwaffen­Ministeriums am 21. Juni 1942: „[DieBriefe] zeigen die Wirkung der Distanz, die zwischen den Fliegern und ihren Angriffen auf menschliche Wesenexistiert.“ Versuchen wir, die Differenz der Wahrnehmung von on-screendata (die physiologische Ebene der aisthesis) und ihrerInterpretation als story world (die Ebene der Ästhetik) nichtals sanfte Transformation, sondern als ständigen Sprung, Rißzu beschreiben. „Since nonnarrative ways of organizing datamay coexist with narrative, one might also recognize aconflict among discursive“ - und non-diskursiven – „schemes,an `excess´ within the story“ 189 – mithin den Einbruch desRealen in die symbolische Ordnung der Geschichte. Es gilt alsofortan, von Bruchstellen aus zu schreiben. Medienarchäologieist dabei nicht nur eine analytische Methode, sondernbeschreibt eine psychologische Wahrnehmungsoperationen, ausder Datentiefe aufwärts liest:Some perceptual processes operate upon data on the screen in a direct, „bottom­up“ manner by examining thedata in very brief periods of time (utilizing little or no associated memory) and organizing it automatically intosuch features as edge, color, depth, motion, aural pitch . Bottom­up perception is serial and „data­driven“,and produces only short­range effects. Demgegenüber ist die Wahrnehmung eines Prozesses auf derLeinwand im Rahmen einer Geschichte eine top-down-Wahrnehmung.An dieser Stelle lohnt der Hinweis darauf, daß der anglophoneBegriff der story (zumal im Computerspieldesign) eine vielpragmatischere, geradezu technische Bedeutung hat und eherZiel- denn emphatische <strong>Sinn</strong>vorgaben meint, im Unterschied zurkulturhistorisch bedingten Semantik des deutschen Begriffs vonGeschichten. Aktuelle Filmproduktionen wie Paul W. S.188Siehe Ute Holl, Kybernetik und Kino. Maya <strong>Der</strong>ens Medientheorie im Zusammenhang einer Geschichtekinematographischer Bewegung, Berlin (Brinkmann & Bose) 2002189Edward Branigan, Narrative comprehension and film, London / New York (Routledge) 1992, 34

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