Artenschutzprogramm in Sachsen - Publikationen - Freistaat Sachsen
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Gefahrenpotential. Beim Stromschlag werden Kurz- und Erd -<br />
schluß unterschieden. E<strong>in</strong> Kurzschluß entsteht durch gleichzeitiges<br />
Berühren von zwei spannungsführenden Leitern. Wegen<br />
der Leiterabstände kann es nur im Nieder- und Mittelspannungsbereich<br />
zum Kurzschluß kommen. Während e<strong>in</strong><br />
Kurzschluß im Bereich der Niederspannung meist glimpflich<br />
ausgeht (ger<strong>in</strong>ge Spannung und Leitfähigkeit der Federn und<br />
Hornteile), ist er bei Mittelspannung fast immer tödlich. Zum<br />
Kurzschluß kommt es auf Masten mit ger<strong>in</strong>gen Leiterabständen<br />
oder bei Leitungsanflug. Am betroffenen Vogel s<strong>in</strong>d nach<br />
e<strong>in</strong>em Kurzschluß deutliche Strommarken (Verbrennungen an<br />
den E<strong>in</strong>- und Austrittsstellen des Stromes) zu sehen.<br />
E<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>em Mast stehender Storch ist immer geerdet.<br />
Berührt er mit e<strong>in</strong>em Be<strong>in</strong>, Flügel, dem Schnabel oder dem<br />
Kotstrahl e<strong>in</strong> Leiterseil, kommt es zum Erdschluß. Die Stärke<br />
des Stromschlages wird bee<strong>in</strong>flußt vom Mastmaterial<br />
(Holz, Beton, Eisen), der Art der Berührung (Federn, Haut)<br />
und der Witterung (Feuchtigkeit). Tritt e<strong>in</strong> Storch vom Mast<br />
auf e<strong>in</strong>en horizontal angebrachten Isolator, kann er Kriechströmen<br />
ausgesetzt se<strong>in</strong>. Dies ist <strong>in</strong>sbesondere bei kurzen,<br />
verschmutzten oder feuchten Isolatoren der Fall. Am betroffenen<br />
Vogel s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesen Fällen die E<strong>in</strong>wirkungen vom<br />
Strom äußerlich nur sehr schwer oder gar nicht zu entdecken.<br />
Die Tiere ersche<strong>in</strong>en äußerlich unverletzt. Nach<br />
e<strong>in</strong>em Erdschluß überlebende Störche erleiden e<strong>in</strong>en traumatischen<br />
Schock. Später bilden sich an den stromdurchflossenen<br />
Körperteilen meist ausgedehnte Nekrosen. In der<br />
Regel f<strong>in</strong>det man diese Störche direkt am Mastfuß oder <strong>in</strong><br />
unmittelbarer Umgebung.<br />
Ob e<strong>in</strong> Mast als Sitzgelegenheit angeflogen wird, hängt von<br />
se<strong>in</strong>em speziellen Standort und der aktuellen Verhaltenssituation<br />
der Störche ab. Insbesondere höhenexponierte Masten<br />
<strong>in</strong> Nestnähe oder günstigen Nahrungsgebieten werden<br />
gern als Sitz- und Schlafplatz benutzt. Jungstörche versuchen<br />
bei ihren ersten Ausflügen oft auf ungewöhnlichen<br />
Stellen wie Elektromasten zu landen. Fremdstörche kommen<br />
öfter <strong>in</strong> die Nähe besetzter Nester und landen dann gern auf<br />
nahegelegenen Masten. Trupps von Nichtbrütern, die <strong>in</strong> günstigen<br />
Nahrungsräumen übersommern, schlafen <strong>in</strong> der Regel<br />
auf relativ freistehenden, kronentrockenen alten Laubbäumen<br />
oder alten Kiefern außerhalb von Ortschaften. Weil geeignete<br />
Rast- und Schlafbäume recht rar s<strong>in</strong>d, werden ersatzweise<br />
gern Elektromasten genutzt. Während der Zugzeit<br />
kann es auch außerhalb traditioneller Storchenlebensräume<br />
zum Rasten größerer Storchentrupps kommen, wenn beispielsweise<br />
nahrungsreiche Felder gepflügt werden. Diese<br />
Zugtrupps bestehen meist zu über 80 % aus Jungstörchen.<br />
Zum Schlafen werden von den unerfahrenen Jungstörchen<br />
oftmals auch schwer anzufliegende Masten benutzt.<br />
Unfälle durch Anflug entstehen meist <strong>in</strong> extremen Situationen,<br />
z. B. bei Horstkämpfen, bei den ersten Ausflügen der<br />
Jungstörche, Störungen oder dem Zusammentreffen mit<br />
fremden Artgenossen, bei denen sich die Vögel weniger<br />
umsichtig verhalten. Bei untersuchten Anflugunfällen handelte<br />
es sich <strong>in</strong> den meisten Fällen um helle (relativ neue)<br />
Leiterseile, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene angeordnet waren. Leitungen,<br />
die <strong>in</strong> mehreren Ebenen angeordnet und mit dünnen, dun-<br />
Der Weißstorch <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />
klen Leiterseilen ausgestattet waren, kamen nur ausnahmsweise<br />
vor. Die Annahme, daß gerade von letztgenannten e<strong>in</strong>e<br />
höhere Gefährdung ausgeht, konnte bislang nicht bestätigt<br />
werden. Kollisionen ohne äußere Bee<strong>in</strong>flussung, wie<br />
etwa durch starken W<strong>in</strong>d, Störungen oder Ablenkung durch<br />
fremde Artgenossen, erfolgten ausschließlich an Trassen<br />
mit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene angeordneten hellen Leiterseilen. Bei der<br />
Beurteilung der Gefährlichkeit e<strong>in</strong>er Leitung (Erkennbarkeit<br />
durch den fliegenden Vogel) spielt deren spezielle Lage <strong>in</strong><br />
der Landschaft (Leitung völlig frei oder vor e<strong>in</strong>er dunklen<br />
Baumkulisse) e<strong>in</strong>e nicht unerhebliche Rolle. Anflugopfer<br />
haben meist schwere Frakturen, Rupturen, Prellungen sowie<br />
mechanische Schäden an Haut und Gefieder. Die Verletzungen<br />
bef<strong>in</strong>den sich vor allem am Kopf und an den Gliedmaßen.<br />
Derartig verletzte Vögel entfernen sich oft weit von<br />
der Unfallstelle.<br />
Es gibt jedoch nicht nur Leitungsanflüge. In e<strong>in</strong>igen Fällen<br />
verunglückten Jungstörche durch Aufprall an den Traversen<br />
von Mittelspannungsmasten mit hängenden bzw. waagerechten<br />
Isolatoren. Diese Unfälle traten immer dann auf,<br />
wenn bereits andere Störche auf der Traverse standen und<br />
die Landung mißglückte. Auf den Traversen von Eisengittermasten<br />
können Jungstörche bei Nässe leicht ausrutschen<br />
und mit ihren langen Be<strong>in</strong>en zwischen die Verstrebungen<br />
geraten. Bei ihren Befreiungsversuchen brechen sie sich<br />
dann die Be<strong>in</strong>e oder die Intertarsalgelenke.<br />
Im Zusammenhang mit Verlusten an elektrischen Freileitungen<br />
sei daran er<strong>in</strong>nert, daß <strong>in</strong> früheren Zeiten oftmals<br />
während der Fortpflanzungsperiode selbständig von Störchen<br />
errichtete Nester auf Leitungsmasten durch die örtlichen<br />
Energieversorgungsunternehmen ohne E<strong>in</strong>beziehung<br />
der Naturschutzbehörde entfernt wurden. In diesen Fällen<br />
ist dadurch e<strong>in</strong>e Brut oftmals verh<strong>in</strong>dert worden. Heute<br />
gehören solche Vorfälle der Vergangenheit an.<br />
Abb. 52: Rastende Weißstörche auf Hochspannungsfreileitungsmast;<br />
10.08.1995,<br />
Colmnitz/Lkr. Riesa-Großenha<strong>in</strong><br />
Foto: P. Reuße<br />
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