Artenschutzprogramm in Sachsen - Publikationen - Freistaat Sachsen
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3 Geschichte und aktueller Stand des<br />
Weißstorchschutzes <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />
Der Weißstorchschutz <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong> widerspiegelt e<strong>in</strong> Stück<br />
sächsischer ländlicher Kultur- und Wirtschaftsgeschichte,<br />
welche u. a. <strong>in</strong> jagdlichen Regelungen und Nutzen-Schaden-<br />
Bewertungen für Vogelarten ihren Ausdruck fanden.<br />
Das sächsische Gesetz zur Ausübung der Jagd vom 1.12.1864<br />
erklärte <strong>in</strong> § 1 u. a. „alle wilden Vögel“ zum Gegenstand des<br />
Jagdrechts. Außerdem gehörte zur Jagdberechtigung „das<br />
Befugnis, die Nester wilder Vögel zu zerstören und die Eier<br />
und Jungen derselben auszunehmen“. In den §§ 28 – 29<br />
wurde jedoch e<strong>in</strong>e Schon- und Hegezeit vom 1. Februar bis<br />
31. August festgelegt, die das Verbot der Nestzerstörung sowie<br />
Entnahme der Eier und Jungen e<strong>in</strong>schloß.<br />
Der Abschuß von Weißstörchen als verme<strong>in</strong>tliche Jagd- und<br />
Fischereischädl<strong>in</strong>ge war offenbar um 1900 e<strong>in</strong> Problem<br />
(KRAMER 1916), so daß KLENGEL (1917, 1918) Nahrungserwerb<br />
und Beutespektrum des Storches analysierte, damit<br />
se<strong>in</strong>e Schädlichkeit widerlegte und zu „Zwangsmaßnahmen<br />
gegen die rücksichtslosen Schießer“ aufrief.<br />
Auch das deutsche Reichsjagdgesetz vom 3.7.1934 und<br />
die Naturschutzverordnung vom 18.3.1936 zählten den<br />
Weißstorch zu den jagdbaren Vögeln, welcher jedoch<br />
ganzjährige Schonzeit genoß. Desgleichen waren „die<br />
Gelege und Nester des Federwildes das ganze Jahr über<br />
geschützt“. Trotzdem kam es <strong>in</strong> dieser Zeit auch <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />
zu Abschüssen (G. Erdmann briefl. Mitt. 2000, FICHT-<br />
NER 1931). Erst durch das Gesetz zur Regelung des Jagdwesens<br />
vom 25.11.1953 <strong>in</strong> der DDR mit der 1. Durch -<br />
führungs bestimmung vom 4.3.1954 gehörte der Weiß -<br />
storch nicht mehr zu den jagd baren Tieren. Alle<br />
nachfolgenden Regelungen zählten ihn nun zu den geschützten<br />
Arten (Landeskulturgesetz und Naturschutzverordnung<br />
vom 14.5.1970). Durch die 1. Durchführungsverordnung<br />
(Artenschutz bestimmung) vom 1.10.1984 erhielt<br />
er die Schutzkategorie „geschützte bestandsgefährdete<br />
Art“. Das be<strong>in</strong>haltete u. a. die Erarbeitung von <strong>Artenschutzprogramm</strong>en<br />
sowie die Meldepflicht und Dokumentation<br />
verletzter oder toter Tiere. Die 1. Durchführungsverordnung<br />
vom 18.5.1989 (NSVO) zum Landeskulturgesetz<br />
aktualisierte die Be stimmungen zur Erstellung von<br />
<strong>Artenschutzprogramm</strong>en, welche die Grundlage für staatliche<br />
Maßnahmen zur Erhaltung der Arten bildeten. Nach<br />
der E<strong>in</strong>führung des bundesdeutschen Rechts (Neufassung<br />
der Bundesartenschutzverordnung vom 18.9.1989) <strong>in</strong><br />
<strong>Sachsen</strong> zählte der Weißstorch zu den „vom Aussterben<br />
bedrohten“ Arten und seit 1998 (2. Gesetz zur Änderung<br />
des Bundesnaturschutzgesetzes vom 30.4.1998) zu den<br />
„streng geschützten“ Arten.<br />
Der Weißstorch ist <strong>in</strong> der Roten Liste <strong>Sachsen</strong>s <strong>in</strong> der Kategorie<br />
3 („gefährdet“) geführt (RAU et al. 1999). In der aktuellen<br />
Roten Liste Deutschlands (1998) wird die Verantwortung<br />
der Bundesrepublik für die Weißstörche als Teil der<br />
bedeutenden europäischen Population unterstrichen, <strong>in</strong>dem<br />
die Art <strong>in</strong> die Kategorie 3 („gefährdet“) e<strong>in</strong>geordnet ist.<br />
Geschichte des Weißstorchschutzes<br />
Die gesetzlichen Regelungen, welche oftmals unter engagierter<br />
Mitwirkung sächsischer Ornithologen entstanden,<br />
bildeten die Basis für viele Schutzmaßnahmen, die <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />
seit Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts nachweisbar s<strong>in</strong>d. Der<br />
1908 gegründete Landesvere<strong>in</strong> Sächsischer Heimatschutz<br />
setzte ornithologische Vertrauensmänner zur Erhaltung ornithologischer<br />
Naturdenkmale, u.a. des Weißstorches, e<strong>in</strong>.<br />
Sie arbeiteten <strong>in</strong> bestimmten Gebieten, erhielten e<strong>in</strong>e Ausweiskarte<br />
des sächsischen M<strong>in</strong>isteriums des Inneren und<br />
waren gehalten, Verb<strong>in</strong>dungen zu Behörden sowie Jagdund<br />
Fischereiberechtigten aufzunehmen (BEER 1969, KOE-<br />
PERT 1913). Die Öffentlichkeitsarbeit be<strong>in</strong>haltete mit Punkt<br />
6 der Anweisung für die Tätigkeit der Vertrauensmänner<br />
auch die Forderung: „Um auch im großen Publikum Interesse<br />
an den Bestrebungen des Naturschutzes zu erwecken,<br />
wird dem Vertrauensmann die Nutzung der heimischen<br />
Presse dr<strong>in</strong>gend empfohlen“. Für den Weißstorch wirkte <strong>in</strong><br />
diesem Rahmen besonders auch R. Zimmermann. Zahlreiche<br />
Veröffentlichungen enthalten ausführliche Darstellungen<br />
zum Weißstorchschutz, z. B. KRAMER (1916, 1924),<br />
KLENGEL (1917, 1918), MAKATSCH (1924, 1949, 1953),<br />
DÖRFEL (1926), LIEBMANN (<strong>in</strong> SCHOLZE & LIEBMANN<br />
1930), FICHTNER (1931), SCHOLZE (1930, 1933), HERR<br />
Abb. 65: Nest auf Schornste<strong>in</strong>lüfter e<strong>in</strong>es Stallgebäudes;<br />
15.07.1994, Göhra / Lkr. Riesa-Großenha<strong>in</strong><br />
Foto: P. Reuße<br />
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