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Artenschutzprogramm in Sachsen - Publikationen - Freistaat Sachsen

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die niedrigen Überlebensraten, besonders die der Jungvögel,<br />

e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ierende Bedeutung haben. Haupttodesursache<br />

der Jungvögel ist der Tod an elektrischen Freileitungen<br />

(s. Kap. 2.5.2). Gerade hier besteht aus Sicht des<br />

Naturschutzes e<strong>in</strong>e vordr<strong>in</strong>gliche gesellschaftliche Aufgabe:<br />

die Senkung der Unfälle durch den weiteren Umbau<br />

von aus der Sicht des Vogelschutzes e<strong>in</strong>deutig fehlkonstruierten<br />

elektrischen Leitungsmasten.<br />

Polnische Weißstorchbestände als mögliche Quelle der<br />

Zuwanderung<br />

Bei der offensichtlich von außen abhängigen positiven Bestandsentwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong> entsteht die Frage, woher die<br />

Zuwanderer kommen und ob e<strong>in</strong> Zuzug <strong>in</strong> o. g. Größenordnung<br />

real se<strong>in</strong> könnte. Es ist naheliegend, dabei an die benachbarte<br />

Republik Polen zu denken, wo der größte Bestand<br />

Europas mit 40.900 Brutpaaren (1994) siedelt. Trotz der im<br />

Vergleich zu <strong>Sachsen</strong> relativ ger<strong>in</strong>gen Ber<strong>in</strong>gungsquote <strong>in</strong><br />

Polen (ca. 500 –1000 Vögel jährlich, Profus mdl. Mitt. 2000,<br />

Kania mdl. Mitt. 2000) gibt es mehrere H<strong>in</strong>weise, welche die<br />

Immigration aus Polen stützen:<br />

– Nach der Arbeit von KANIA (1985) über die Auswertung<br />

der Wiederfunde der <strong>in</strong> Polen ber<strong>in</strong>gten Weißstörche entfallen<br />

40 % der Wiederfunde außerhalb Polens und abseits<br />

der Zugstrecke nach Afrika auf <strong>Sachsen</strong>. Dabei ist das Alter<br />

von 5 Jahren (brutbereiter Jungvogel) vorherrschend.<br />

– Der <strong>in</strong> Polen beobachtete Bestandsrückgang <strong>in</strong> den<br />

1980er Jahren (z. B. GUZIAK & JAKUBIEC 1999) ist auch<br />

bei der sächsischen Population deutlich erkennbar.<br />

– Aus der Untersuchung der Altersstruktur des sächsischen<br />

Bestandes ergibt sich e<strong>in</strong>e Senkung des Medians des Bestandsalters<br />

von 7 Jahren auf 6 Jahre <strong>in</strong> den letzten 10<br />

Jahren (s. Kap. 2.3.6). Diese Verjüngung könnte mit dem<br />

Zuzug brutbereiter Jungvögel aus Polen erklärt werden.<br />

In Polen besteht <strong>in</strong> Nordost-Südwest-Richtung e<strong>in</strong> deutliches<br />

Gefälle der Storchendichte. Der Schwerpunkt der polnischen<br />

Population bef<strong>in</strong>det sich an der nordöstlichen polnischen Grenze<br />

zu Weißrußland und Litauen, von der sächsischen Grenze<br />

ca. 600 km entfernt. Da <strong>Sachsen</strong> auch nicht <strong>in</strong> der Zugl<strong>in</strong>ie dieser<br />

Bestände liegt, ist kaum anzunehmen, daß sie e<strong>in</strong>en wichtigen<br />

Beitrag zum Wachsen des sächsischen Bestandes leisten.<br />

So müssen die für polnische Verhältnisse schwachen Bestände<br />

an der sächsischen Grenze betrachtet werden. Dazu wurde im<br />

ersten Schritt die Bestandsdynamik <strong>in</strong> den vier Nachbarbezirken<br />

Zielona Gora, Jelenia Gora, Leszno und Legnica untersucht.<br />

Die maximale Entfernung zur sächsischen Grenze beträgt<br />

für diesen Bereich nur ca. 150 km und stellt damit für die<br />

brutbereiten Jungvögel ke<strong>in</strong> besonderes Problem dar (vgl.Tab.8,<br />

S. 31). Diese Landschaft, <strong>in</strong> der Größe mit <strong>Sachsen</strong> vergleichbar,<br />

beherbergt mit 1.305 Brutpaaren (1994) mehr als den dreifachen<br />

Bestand des <strong>Freistaat</strong>es (GUZIAK & JAKUBIEC 1999).<br />

Für das Teilgebiet Leszno (300 HPa) liegt für den Zeitraum<br />

von 1974–1994 e<strong>in</strong>e detaillierte Arbeit von KUZNIAK (1995)<br />

vor, <strong>in</strong> der die jährlich erreichten Reproduktionsraten aufgeführt<br />

s<strong>in</strong>d. Diese JZa-Werte werden <strong>in</strong> der Simulation für<br />

das Gesamtgebiet der vier polnischen Bezirke verwendet.<br />

58<br />

Der Weißstorch <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

Abb. 64: Nach der Ber<strong>in</strong>gung - neben den Jungen Utensilien<br />

für die Ber<strong>in</strong>gung sowie für die ermittlung von<br />

Maßen und Gewichten; 26.06.1999, Zabeltitz / Lkr.<br />

Riesa-Großenha<strong>in</strong> Foto: P. Reuße<br />

Für die Erstbrutalters-Rate wurde der sächsische Wert von<br />

0.5 übernommen. Entsprechend des Status e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dustriell<br />

schwächer entwickelten Region mit folglich verr<strong>in</strong>gertem<br />

Gefährdungspotential gegenüber dem sächsischen Raum<br />

wurde dagegen die Überlebensrate für die flüggen Jung -<br />

vögel auf 0.54 erhöht.<br />

Die Rechnung mit dem PC-Programm „Nettoreproduktion”<br />

ergibt für die Zeiträume<br />

1975 – 1984 jährlich – 7 Brutpaare und<br />

1985 – 1994 jährlich – 17 Brutpaare,<br />

somit e<strong>in</strong>en Überschuß (rechnerische Bestandszahl größer<br />

als die reale), d. h. e<strong>in</strong>e Abwanderung aus diesen Gebieten.<br />

Damit ist die Aussage möglich, daß schon dieses polnische<br />

Grenzgebiet mit nur reichlich 3 % des polnischen Gesamtbestandes<br />

e<strong>in</strong>en Großteil des sächsischen Nettoreproduk -<br />

tionsdefizits kompensieren kann.<br />

Bei der Bestimmung der Überlebensrate sächsischer Weißstörche<br />

wurden im wesentlichen (methodisch bed<strong>in</strong>gt) nur<br />

Wiederfunde bis zum Jahr 1983 berücksichtigt. Möglicherweise<br />

höhere Überlebensraten <strong>in</strong> den letzten 10 – 15 Jahren<br />

nach dem Umbau von gefährlichen Elektromasten oder<br />

durch den globalen Rückgang der Anwendung gefährlicher<br />

Pestizide und der Jagd <strong>in</strong> den Zug- und Überw<strong>in</strong>terungsgebieten<br />

würden die Nettoreproduktionsrate erhöhen und für<br />

den Bilanzausgleich e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren Zuzug von Fremdvögeln<br />

notwendig machen. Auch <strong>in</strong> H<strong>in</strong>sicht auf e<strong>in</strong>en möglichen<br />

E<strong>in</strong>fluß der politischen und ökonomischen Entwicklung<br />

nach 1990 ist die Auswertung des jeweils neuesten<br />

Datenmaterials zu den Überlebensraten notwendig.<br />

Mit ökonomischen und ökologischen Veränderungen <strong>in</strong><br />

Polen, z. B. im Rahmen e<strong>in</strong>er EU-Mitgliedschaft des Landes,<br />

wird sich vermutlich die Situation für den Weißstorch<br />

ändern. E<strong>in</strong>e enge Zusammenarbeit mit den Ornithologen<br />

und Naturschützern Polens, <strong>in</strong>sbesondere der südwestpolnischen<br />

Region, ist damit e<strong>in</strong> wichtiges Anliegen für die<br />

nahe Zukunft.

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