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Lernwirkungen neuer Lernformen - ABWF

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des Lernenden an dem Lerngegenstand gering, es herrscht eine Art Gleichgültigkeit gegenüber<br />

dem Thema, weil der Handlungszusammenhang, auf den das Lernen bezogen ist, nicht<br />

klar ist. Dies bedeutet, dass der Lernende häufig nicht weiß, was ihm bzw. seiner Lebenspraxis<br />

das Dargebotene nutzt. Da der Lernende in der Schule, im Studium, aber auch in Teilen<br />

der beruflichen Weiterbildung kaum die Möglichkeit hat, sich dem Lernen wirklich zu verweigern<br />

oder sich einem anderen, für ihn interessanteren Lerngegenstand zuzuwenden, nimmt<br />

er die Lernanstrengungen auf sich, um Sanktionen zu entgehen. Es sind dann „defensive<br />

Lerngründe“, die den Lernenden zum Lernen veranlassen. Danach reproduzieren die Lernenden<br />

die vom Lehrenden als vermeintlich „wahr“ oder „richtig“ angebotenen Sachverhalte,<br />

nicht weil sie diese als nützlich für das eigene Handeln erfahren, sondern weil es sich im jeweiligen<br />

Lernkontext als vorteilhaft erweist, den extern gesetzten Anforderungen zu folgen.<br />

Nicht das Thema und ein daraus ersichtliches Problem, das es zu lösen gilt, motiviert zum<br />

Lernen, sondern die Vermeidung von Restriktionen. Demgegenüber antizipiert das Subjekt in<br />

seinem persönlichen Kalkül äußerst realistisch, dass eine Verweigerung des Lernens mit Beeinträchtigungen<br />

seiner Lebensqualität verbunden wäre, bzw. dass es durch eine Unterwerfung<br />

unter solchermaßen vorgegebene Lernaufgaben einer Beeinträchtigung seiner Entwicklungsbedingungen<br />

entgehen kann. Ein solches defensiv begründetes Lernen dient keiner konstruktiven<br />

Bearbeitung eines Lernproblems. Der Lernende unterwirft sich vielmehr dem<br />

Lernprozess lediglich aus strategischen Gründen, d. h. mit dem Kalkül, auf diesem Wege „einigermaßen<br />

ungeschoren davonzukommen“.<br />

Beim expansiven Lernen ergibt sich die Lernanforderung somit aus einer für den Teilnehmenden<br />

einsehbaren Handlungsanforderung. Eine „Handlungsproblematik” wird aber erst<br />

dann zu einer „Lernproblematik, wenn es dem Subjekt gelingt, Übersicht und Distanz zu gewinnen,<br />

um herauszufinden, wodurch mögliche Schwierigkeiten entstanden sind und auf welche<br />

Weise sie lernend überwunden werden können. Der Lernende sollte darin unterstützt werden,<br />

sich seines eigenen Wissens- und Könnensspektrums zu versichern, um dadurch seine<br />

Lernbedürfnisse zu artikulieren und letztlich für sich Lernziele zu definieren. Die Aufgabe des<br />

Lehrenden umfasst hingegen die Vorstrukturierung der Lernfelder und die Begleitung der<br />

Lernenden in ihrer Lernzielformulierung. Dabei muss er aus den Handlungsproblematiken der<br />

Lernenden herauslesen, welche „Lernschleifen“ (ebd., S. 184) nötig wären, um zur Lösung<br />

des jeweiligen Handlungsproblems zu gelangen. Voraussetzung dafür ist eine hohe Sachkompetenz<br />

und Kenntnis der Thematik, denn seine Lernfeldstrukturierung muss nicht notwendigerweise<br />

mit den Handlungsproblemen der Lernenden übereinstimmen. Die Frage, die sich<br />

der Lehrende in diesem Falle stellen muss, ist: „Welche Lerninhalte können in welcher dargebotenen<br />

Form dem Lernenden bei der Bearbeitung seiner Handlungsproblematik helfen?”<br />

5. These: Unsere Wirklichkeitskonstruktionen werden im sozialen Austausch auf ihre Funktionalität<br />

geprüft. Der Lernprozess ist somit ein soziales Produkt.<br />

Die Tragfähigkeit unserer Wirklichkeitskonstruktionen wird zwar durch unser Handeln selbst<br />

festgestellt. Allerdings können wir die Wirklichkeit nicht beliebig konstruieren, weil wir immer<br />

auch mit anderen Menschen und unserer Umwelt interagieren und somit „strukturell gekoppelt“<br />

sind. Welche „Beobachtungskategorien“ und Vorstellungen wir von der Welt entwickeln,<br />

hängt deutlich von dem sozialen Kontext ab, in dem wir uns bewegen, weshalb in diesem<br />

Falle auch von einer „gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit“ gesprochen<br />

werden kann (Berger/ Luckmann 1980). Der Sprachtheoretiker Frindte fasst dies folgendermaßen<br />

zusammen: „Konstruktionen, Orientierungen, Vorstellungen etc. über die Welt (werden)<br />

ausschließlich im sozialen Diskurs geschaffen und auf ihre Passfähigkeit geprüft. In der<br />

Kommunikation mit anderen und nur in der Kommunikation finden die Menschen Gründe für<br />

ihr Handeln“ (Frindte 1995, S. 113). Von Glasersfeld bezeichnet dies auch als „Viabilität 2.<br />

Ordnung“ (v. Glasersfeld 1997, S. 197f.). D.h., wir überprüfen unser Handeln nicht nur da-<br />

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