kurzgeschichte - SpecFlash
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18<br />
Ars Poetica<br />
1.<br />
Unmögliche Zwillinge<br />
»Selma steht unter Erfolgszwang«, sagte Remus.<br />
»Deshalb ist sie im Stress«, sagte Romulus.<br />
»Man muss das verstehen«, sagte Remus. »Sie<br />
hat im Band Neun der Analekten eine Geschichte<br />
unterbringen können, und das verpflichtet<br />
natürlich.«<br />
»Ja, Selma hat es wirklich nicht leicht«, setzte<br />
Romulus einen drauf. »Sie meint, sich selbst<br />
übertreffen zu müssen.«<br />
»Klar, jeder erwartet von ihr, dass sie sich das<br />
nächste Mal noch mehr steigert«, sagte Remus.<br />
»Aber das ist schwer möglich, denn ihre<br />
Geschichte war wirklich einsame Spitze.«<br />
»So ist es. Eine bessere Geschichte wird sie nicht<br />
finden.«<br />
»Und das macht ihr zu schaffen.«<br />
»Sie hat Maßstäbe gesetzt, und alles, was nicht<br />
an ihre Veröffentlichung heranreicht, ist ihr zu<br />
gering.«<br />
»Daher kommen ihre Depressionen.«<br />
»Sie macht sich das Leben selbst unnötig<br />
schwer«, sagte Remus und fügte mit einem<br />
Seufzer hinzu: »Und uns auch.«<br />
In dieser Art ging es weiter. Die Zwillinge waren<br />
einfach nicht abzustellen, und es war mir<br />
unmöglich, mich ihren aufdringlichen Stimmen<br />
zu verschließen. »Entweder haltet ihr endlich<br />
den Mund, oder ich stecke euch zurück in die<br />
Tiefschlaftanks!«, rief ich von meinem Arbeitszimmer<br />
in ihre Kabine hinüber.<br />
Nach meiner Ermahnung herrschte für eine<br />
Minute Ruhe, dann ging es schon wieder los.<br />
Diesmal stritten sie sich um die Besitzrechte<br />
eines Meteorsteins, von dem jeder behauptete,<br />
dass er ihn von Eberefing mitgebracht hatte.<br />
Eberefing war eine Dutzendwelt, wie übrigens<br />
Oberach auch, wo wir schließlich gelandet<br />
<strong>SpecFlash</strong> - das Portal in eine parallele Realität<br />
waren. Dennoch hatte Eberefing in zweierlei<br />
Hinsicht für mich eine besondere Bedeutung<br />
bekommen. Erstens vernahm ich dort zum<br />
ersten Mal DIE STIMME, die mich erst dazu<br />
gebracht hatte, das Thema der Mutantenverfolgungen<br />
aufzugreifen. Zweitens hatte ich dort<br />
den Hinweis bekommen, dass Oberach vor mehr<br />
als einem Jahrhundert einen bedeutenden<br />
Mutanten hervorgebracht haben soll.<br />
Nur darum war ich hier.<br />
Als das Treiben der Zwillinge bis zur Unerträglichkeit<br />
eskalierte, schritt ich ein.»Du, Remus,<br />
bleibst hier«, bestimmte ich und zog unsanft<br />
einen der zum Verwechseln ähnlichen Zwillinge<br />
am Ohr aus der Kabine. »Und du, Romulus,<br />
kommst in ein anderes Zimmer.«<br />
Ich steckte den einen Zwilling (vielleicht war es<br />
sogar Romulus) in die angrenzende Kabine.<br />
Danach kehrte endlich Friede in mein Raumschiff<br />
ein. Zumindest für eine Weile. Für die<br />
Zwillinge bedeutete es die schlimmste Strafe,<br />
voneinander getrennt zu werden, und ich tat es<br />
nur, wenn ich mir keinen anderen Rat mehr<br />
wusste. Zwischen ihnen schienen unsichtbare<br />
Bande zu bestehen, und es war, als würde man<br />
diese durchtrennen, wenn man ein Schott zwischen<br />
ihnen schloss. Beide litten schwer unter<br />
jeder Trennung. Andererseits waren sie wie<br />
Hund und Katze, wenn sie in einem Raum zusammen<br />
waren. Nur wenn sie schliefen, rauften und<br />
zankten sie nicht. Im Schlaf waren sie so unschuldig<br />
wie andere Kinder. Ich bereute es längst, sie<br />
nach unserer Ankunft auf Oberach aus dem<br />
Tiefschlaf geweckt zu haben.<br />
Normalerweise machte es mir nichts aus, wenn<br />
sie Krach schlugen. Schließlich waren es meine<br />
Kinder, sie konnten nichts für meinen Fehltritt<br />
während des letzten Treffens der Legendensammler.<br />
Ich bereute es im Grunde nicht, mich<br />
damals auf Gulistan mit diesem Burschen einge-