kurzgeschichte - SpecFlash

Einer Handvoll glitzernder Diamanten gleich
lagen die Cylands im Meer. In einer lang
gestreckten Kurve näherten sie sich der Hauptinsel.
Das Rollfeld ragte wie eine gigantische
Chamäleonzunge ins Meer. Mit kaum spürbarem
Ruck setzte die Maschine auf und rollte aus.Nur
wenige klatschten Beifall – wer applaudiert
schon einem Aufzug, der ihn ein paar Stockwerke
auf- oder abwärts befördert hat? Wobei
selbst kaum einer der fanatischsten Anthropozentristen
auf die Idee käme, sich einem
menschlichen Piloten anzuvertrauen. Anders als
humanoide Roboter schürten, vielfach im
Gegensatz zu ihren biologischen Vorbildern,
ornithoide wie Flugzeuge oder auch arachnoide,
canide, insektoide wenig menschliche Psychosen.
Was Androidenrechtsgegner nicht daran
hinderte, die Forderungen der Androidenrechtler
durch fiktive Kampagnen für das Wahlrecht
von Staubsaugern ins Lächerliche zu ziehen.Die
Passagiere stiegen aus, salziger Wind erfasste
sie auf der ungeschützten Landebahn. Die
meisten waren Menschen. Flugzeuge und Hubschrauber
aus allen Teilen der Erde standen hier.
Auf der Nachbarinsel erkannte Pete die Kuppel
eines Luftschiffhangars. Die Sonne blendete mit
gleißendem Licht. Alles war weiß, hellgrau,
hellbraun, hellblau, nur hier und da kontrastiert
von einer schattigen Stelle. Trotz des kühlenden
Winds erhitzte die Sonnenstrahlung alles, was
sie traf, Luft, Boden, Fahrzeuge, Haut.Jemand
hatte in meterhohen Ziffern »19840721« auf die
Landebahn gesprüht. Die Farbe war weitgehend
entfernt, im ultravioletten Spektrum aber noch
lesbar. Menetekel der Androidenhasser: Am 21.
Juli 1984 war zum ersten Mal, nach zwei
früheren Todesfällen in Japan, in den USA ein
Mensch von einem Roboter getötet worden –
aufgrund einer Fehlfunktion hatte er ihn an einer
Sicherheitsschranke zu Tode gedrückt. Weit
Ars Poetica - von Alisha Bionda
Ars Poetica 41
entfernt, halb hinter einer Palme verborgen,
stand John Takeshita und beobachtete die Neuankömmlinge
durch ein Fernglas, das er vor
beide Augen hielt, obwohl das künstliche blind
war.Sie stiegen in den Shuttlebus, der sie zu den
Wohnanlagen bringen sollte, doch zunächst zum
Hafen fuhr. Ein Großteil der Businsassen waren
Touristen auf dem Weg nach Tokelau. Die Inselgruppe
besaß keinen eigenen Flughafen und war
nur über Wasser von hier oder der dreihundert
Seemeilen entfernten Küste von Samoa zu erreichen.
Strände, Palmen, ein Paradies der Abgeschiedenheit,
das letzte Land der Welt, das einen
Telefonanschluss bekommen hatte.Obwohl die
Klimaanlage auf Hochtouren lief, war die Luft im
Bus drückend, die Menschen schwitzten. Französische,
schwedische, englische, deutsche,
spanische Sprachfetzen drangen in Petes Gehör.
Menschen- und Cyborgstimmen – die Androiden
kommunizierten übers Netz, die Informationen
zuckten um den halben Erdball und zurück zu
einem Hand breit entfernten Gegenüber. Auch
wenn sie die Stimme des Gesprächspartners
problemlos aus dem Rauschen des Geplappers
hätten filtern können, war es so weit
bequemer.Der Bus fuhr an, als viele noch nicht
saßen. Ein Vorschulkind im Gang neben Petes
Sitz verlor das Gleichgewicht und stürzte. Petes
Arm schnellte vor, überholte den kleinen Körper
des Mädchens im Fall und erfasste sie, in Sekundenschnelle,
ehe sie auf dem Boden aufschlug.
Er richtete sie auf. Schreckerstarrt fixierte sie
ihn. Eine Frau riss sie weg. »Nimm deine kalten
Blechpfoten von dem Kind, Roboter!«, herrschte
sie Pete an. Der Blick des Mädchens blieb an ihn
geheftet, während die Frau sie nach hinten
zerrte. »Seine Hände waren aber ganz warm«,
sagte sie.
Kein Mensch hörte es in dem Lärm – Pete schon,
auch die anderen Androiden und ein paar der