kurzgeschichte - SpecFlash
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lassen zu haben, von dem ich praktisch nichts<br />
wusste. Ich hätte die Folgen dieser Liaison ja<br />
nicht zu tragen brauchen, wenn ich nicht gewollt<br />
hätte. Aber es war immer schon mein Wunsch<br />
gewesen, Kinder zu haben. Nur waren die Zwillinge<br />
eben doch sehr anstrengend und gingen<br />
mir manchmal ziemlich auf die Nerven. Besonders,<br />
wenn ich zu arbeiten hatte.<br />
So wie jetzt; da mein Raumschiff förmlich von<br />
den Oberachern belagert wurde. Und es kamen<br />
immer mehr, um mir ihre Histörchen und Anekdoten<br />
zu erzählen. Es hatte fast den Anschein,<br />
dass sie leiden würden, wenn sie sie für sich<br />
behalten mussten.<br />
Ich hätte nicht gedacht, dass dies auf mich<br />
zukommen würde, als ich nach der Landung auf<br />
Oberach die Werbekampagne startete.<br />
Im Normalfall war es so, dass man die Leute<br />
nicht genug beschwatzen konnte, damit sie<br />
bereit waren, einem Geschichten und Legenden<br />
aus ihrer Historie zu erzählen. Aus dieser Erfahrung<br />
heraus hatte ich einen Werbefeldzug ohne<br />
Beispiel gestartet und über Funk und kostspielige<br />
Holoramas die Kunde verbreitet, dass ein<br />
Legendensammler den Oberachern die Ehre<br />
erwies, die Geschichte ihrer Welt aufzuzeichnen.<br />
Der Erfolg war so durchschlagend gewesen, dass<br />
ich mich des Andrangs nicht mehr erwehren<br />
konnte. Die Leute kamen von weither, um ihre<br />
Geschichten loszuwerden, und sie standen Tag<br />
und Nacht vor meinem Raumschiff ALICE<br />
Schlange. Sie kamen in primitiven Karren, vor<br />
die Zugtiere gespannt waren, auf den Rücken<br />
von domestizierten Flugdrachen, in abgewrackten<br />
Fluggefährten, auf tuckernden Landwirtschaftsmaschinen<br />
und per Materietransmitter,<br />
sofern sie es sich leisten konnten.<br />
Ich hatte schon Hunderte von Geschichten<br />
aufgezeichnet, aber meine Speicher wurden<br />
nicht voll. Denn im Grunde genommen behan-<br />
Ars Poetica - von Alisha Bionda<br />
Ars Poetica 19<br />
delten die Stories alle nur ein Thema, das immer<br />
wieder abgewandelt und variiert wurde. Alle<br />
Geschichten drehten sich um den legendären<br />
Volkshelden Nuanga Baar, den die Oberacher<br />
wie einen Heiligen verehrten. Nach einer recht<br />
großzügig gehandhabten Ausmusterung blieben<br />
nicht mehr als ein Dutzend brauchbare Erzählungen<br />
übrig, die man jedoch in einer einzigen<br />
zusammenfassen konnte. Und die wiederum<br />
war auf ein paar Zeilen zusammenzustreichen,<br />
wenn man sich auf die wesentliche Aussage<br />
beschränkte. Natürlich hätte man mit dem vorliegenden<br />
Stoff auch zehn Bände der Analekten<br />
füllen können, aber daran hätten sich höchstens<br />
die paar hunderttausend Oberacher delektiert.<br />
Und das war für eine Legendensammlerin, die<br />
in ihrem Lebenswerk den Schöpferfunken einfangen<br />
und der gesamtem Menschheit nahe<br />
bringen wollte, nur wenig befriedigend.<br />
Deshalb konnte ich mich nicht dazu überwinden,<br />
mehr aus den Hunderten von Legenden zu<br />
machen, als sie in einer Fußnote zusammenzufassen.<br />
DIE LEGENDE VON NUANGA BAAR:<br />
*<br />
Er war schon immer von schwacher Statur gewesen,<br />
ein zartes Kind mit, wie es schien, angegriffener<br />
Gesundheit. Ein schwächlicher Bursche<br />
später, von verkümmertem Wuchs und mit den<br />
weichfleischigen Armen eines Mädchens. Und<br />
schließlich ein angehender Mann von fast femininem<br />
Äußeren, psychisch nach innen gekehrt.<br />
Ein Heiliger, dafür geboren, nur Gutes zu tun.<br />
Schon im frühen Kindesalter zeigte sich bei ihm<br />
die heilende Hand. Er ging den kranken Tieren<br />
nicht aus dem Wege wie seine Altersgenossen,<br />
ließ sie nicht im Staub der Straße oder im Unter-