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kurzgeschichte - SpecFlash

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Ampullen von Haien nachgebildete Implantate<br />

trugen, um die von den Patienten ausgehenden<br />

elektrischen Felder wahrzunehmen. Humanistische<br />

Fanatiker überfielen sie nachts auf offener<br />

Straße, rissen ihnen synthetische Herzen,<br />

Hände, Nieren oder Cochlearimplantate aus<br />

dem Menschenleib. Dabei hatten sie nun wirklich<br />

mehr als genug Zeit gehabt, sich daran zu<br />

gewöhnen. Ein halbes Jahrhundert zuvor, um die<br />

Jahrtausendwende, war bereits jeder zehnte<br />

US-Amerikaner technisch gesehen ein Cyborg<br />

gewesen. Aber viele Menschen kannten keine<br />

andere Ethik als die Genetik.<br />

Ein Mensch näherte sich Pete auf einem Trampelpfad,<br />

der um den See führte. Als er Pete<br />

entdeckte, blieb er verdutzt stehen. »Sind Sie<br />

nicht … Sie sind es! Pete Townshend?«<br />

»Wer? Wenn Sie den Rockmusiker meinen, der<br />

lebt längst nicht mehr.«<br />

»Nein, nein, Sie sind doch der richtige, ich<br />

meine, der Androidenrechtsaktivist. Dieser Pete<br />

Townshend.«»Ich bin Androidenrechtler, das ist<br />

wahr. Und ich trage Namen und Jugendgesicht<br />

des Leadgitarristen von The Who.«<br />

»Was für ein glücklicher Zufall, Sie hier zu treffen!<br />

Steve, Steve DeCredico, Sprecher von<br />

Humans for the Ethical Treatment of<br />

Androids.«Pete stieg vom Baumstamm und<br />

richtete sich auf, sodass er dem HETA-Sprecher<br />

Auge in Auge gegenüberstand. Humanoide<br />

Roboter waren in der Regel einen bis zweieinhalb<br />

Meter groß, Pete lag dabei im mittleren<br />

Bereich, war etwas kleiner als DeCredico.<br />

»Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Pete … ich<br />

darf doch Pete sagen?«<br />

Petes Miene blieb roboterhaft starr.<br />

»Ich möchte Sie bitten, in Ihrer Rede etwas, nun,<br />

Vorsicht walten zu lassen. Mit allzu radikalen<br />

Forderungen werden nur Interessierte<br />

Ars Poetica - von Alisha Bionda<br />

Ars Poetica 43<br />

verschreckt.«Petes rechte Augenbraue spockte.<br />

»Potenzielle Spender«, korrigiert er. »Der Schaden,<br />

den Spendensammelvereine wie der Ihre<br />

anrichten, ist immens.« Er deutete auf DeCredicos<br />

Brust, auf der Jesus was an Android stand.<br />

»Mit solchen abstrusen Kampagnen etwa. Selbst<br />

wenn sich damit ein paar Wunder erklären<br />

ließen. Als ob es eine andere Erklärung bräuchte<br />

als die, dass der Messias von ein paar Menschen<br />

mit Softwarefehlern erdacht wurde. Wir brauchen<br />

auch keinen buddhistischen Mönch, der<br />

erklärt, der Dalai Lama könne in einem Androiden<br />

reinkarniert werden.«<br />

Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung<br />

an der Wasseroberfläche. Ein Falter war in<br />

den See gefallen und kam nicht mehr davon los,<br />

flatterte vergeblich. Pete hob einen abgebrochenen<br />

Zweig auf und schob das Insekt damit<br />

ans rettende Ufer.<br />

»Sie setzen sich dafür ein, dass Interstellarsonden<br />

mehrere Gehirne erhalten, um nicht zu<br />

vereinsamen. An sich eine gute Sache für diese<br />

Dutzende Androiden, aber ihr Verhalten den<br />

Myriaden vor ihrer Haustür gegenüber ändern<br />

die Spender nach solchen Ablasszahlungen<br />

nicht. HETA lässt sich von Honda und Sony<br />

sponsern, den Androidenausbeutern schlechthin.«<br />

»Das ist nicht …!«,,Es gibt Beweise. Aber das<br />

können wir bei der Podiumsdiskussion klären.<br />

Wer solche ›Freunde‹ hat, braucht keine Feinde<br />

mehr.»<br />

Pete trat ans Rednerpult, schwenkte das Mikro<br />

für menschliche Redner beiseite, wählte kabellos<br />

eine Verbindung zur Tonanlage. Sein Gesicht<br />

erschien auf Millionen Bildschirmen überall auf<br />

der Erde, mit einer Sekunde Verzögerung auf<br />

dem Mond. Sich physikalisch an einem Ort zu<br />

treffen war nichts als ein Zugeständnis an die

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