kurzgeschichte - SpecFlash
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zen neben dem Eingang, fiel ihr jetzt auf, waren<br />
verdorrt; ihre braunen Blätter bröckelten ab.<br />
Daneben, in einem Schrank, starrten zahllose<br />
tote Augen Marie an. In Bilderrahmen gesteckte<br />
Fotos von Mädchen.<br />
»Wer sind diese Frauen da?« Sie zeigte darauf.<br />
Er sog Luft ein und studierte sie.<br />
»Freundinnen. Wenn ich mich mit jemanden gut<br />
verstehe, mache ich ein Foto.«<br />
»Da ist kein Mann dabei«, sagte sie und verschränkte<br />
fröstelnd die Arme vor dem Bauch.<br />
Ein Blick auf die Fotos, wiederholtes Blinzeln.<br />
»Du hast recht. Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«<br />
Sie durchschaute ihn sofort. Das waren nicht die<br />
Bilder von Menschen, mit denen er sich gut<br />
verstand. Es waren Souvenirs, von seinen<br />
Morden.<br />
»Apropos«, brach er die Gesprächspause, »ich<br />
könnte eins von dir schießen, schließlich bist du<br />
mir mehr als nur sympathisch. Was sagst du<br />
dazu?«<br />
»Und das Essen? Hast du nicht gesagt, dass es<br />
anbrennt?«<br />
»Ach, das habe ich nur gesagt, damit wir schnell<br />
wieder reingehen.« Er zwinkerte. »In Wahrheit<br />
habe ich den Herd auf kleiner Flamme. Sonst<br />
wäre das doch schade ums Fleisch.«<br />
Dabei wirst du doch bald frisches haben, wenn<br />
dein Plan aufgeht, dachte sie, schwieg aber.<br />
»Also? Ein Foto?«<br />
»In Ordnung.«<br />
In dem Moment, da er sich von ihr abwandte<br />
und aus einem Regal einen Fotoapparat holte,<br />
wusste sie, was sie tun musste, sollte sie keine<br />
Möglichkeit finden zu flüchten. Ich bringe ihn<br />
um.<br />
»Ein bisschen freundlicher, wenn ich bitten<br />
darf.« Er drückte die Kamera ans Gesicht und<br />
legte seinen Zeigefinger auf den Auslöser.<br />
<strong>kurzgeschichte</strong> 63<br />
Jan Nieswandt - Der Fleck<br />
»Drei, zwei, eins. Cheese.« Der Blitz stach in<br />
ihren Augen. »Klasse. Sobald das Bild fertig<br />
entwickelt ist, rufe ich dich an und zeige es dir«,<br />
sagte er, als ob er vorhätte, sie am Leben zu<br />
lassen. »Und jetzt gehe ich wieder in die Küche,<br />
deine Geschmackssinne müssen ja befriedigt<br />
werden. Komm doch mit und schau mir ein<br />
wenig über die Schulter.«<br />
Damit sie nicht abhauen konnte. Trotz dieser<br />
Erkenntnis nickte Marie, denn sie brauchte nur<br />
eine Gelegenheit und sie wäre befreit von ihrem<br />
Mörder.<br />
Vorerst zeigte die sich aber nicht.<br />
In der Küche sah Edward sie alle paar Sekunden<br />
an, erzählte ihr, wie er was zubereitete und<br />
bettete sie mit Komplimenten ein. Viel länger<br />
konnte sie das unmöglich aushalten.<br />
Sie durchforstete die Ablage neben Edward,<br />
entdeckte einen Fleischhammer – um ihn damit<br />
zu verletzen oder gar zu töten, fehlte ihr die<br />
Kraft. Dann traf ihr Blick auf eine Flasche Essig –<br />
notfalls könnte sie die verwenden, auch wenn<br />
sie damit kaum mehr als einige Sekunden gewinnen<br />
würde. Ein Sieb, einige Schüsseln voller<br />
Soßen, die nach Tomaten und Paprika und<br />
Gewürzen dufteten, und eine Obstschale<br />
standen daneben. Und kurz darauf traf ihr Blick<br />
auf ein Messerset.<br />
»Das Gemüse darf nur kurz angebraten werden,<br />
sonst wird es lasch. Und wer will schon eine<br />
gummiartige Konsistenz kauen, oder?«<br />
Sie stimmte zu, und sie stimmte sich selbst ein<br />
auf ihre kommende Tat. Natürlich würde es ihr<br />
schwerfallen, aber einen Menschen zu töten war<br />
besser, als von ihm getötet zu werden. Ja, und<br />
die Polizei würde Beweise für seine Taten<br />
finden. Sie würde freigesprochen werden.<br />
»Jetzt fehlt nur noch der Kümmel.«<br />
Er streckte sich, um an die Dose in einen der<br />
oberen Regale zu kommen.