kurzgeschichte - SpecFlash
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26<br />
Ars Poetica<br />
Und diese Verzweiflungstat dürfte sich letztendlich<br />
gelohnt haben. Es schien, dass ich nun meine<br />
Geschichte bekommen würde.<br />
Aber der Reihe nach.<br />
Ich wusste, wo ich Vaurian finden konnte. Er<br />
hatte sein Hauptquartier auf Tabarot aufgeschlagen,<br />
der Welt der Gesetzlosen, war dort aber<br />
nicht immer anzutreffen. Vaurian war ein unruhiger<br />
Geist, hatte kein Sitzfleisch, konnte nirgendwo<br />
sesshaft werden und ging mit seinem<br />
Raumschiff immer wieder auf Tour. Ich hatte<br />
jedoch gehört, dass er vor kurzem von einer<br />
längeren Kaperfahrt zurückgekommen war und<br />
rechnete mir daher gute Chancen aus, ihn in<br />
seinem Domizil anzutreffen.<br />
Es würde dennoch nicht ganz einfach sein, an<br />
ihn heranzukommen. Denn Tabarot war keine<br />
von den Welten, die man so ohne weiteres<br />
besuchen konnte, wenngleich sie zunächst sehr<br />
offen wirkte, als ob jedermann Zutritt hätte.<br />
Man durfte als Einzelperson und in kleinen<br />
Gruppen, wenn man nicht gerade mit einer<br />
Armee aufmarschierte, durchaus den Planeten<br />
betreten – insofern man gewisse Voraussetzungen<br />
erfüllte. Es war jedoch die Frage, ob man<br />
auch wieder so gesund und wohlbegütert von<br />
dort wegkam, wie man hingekommen war.<br />
Den eintönigen Flug verbrachte ich im Schlaftank,<br />
den ich auf »traumlos« programmierte.<br />
Traumlosigkeit verleiht das subjektive Gefühl<br />
eines kürzeren Tiefschlafs. Du legst dich hin und<br />
vermeinst, im selben Moment wieder geweckt<br />
zu werden. Feine Sache. Vor allem, wenn du<br />
deine Ruhe haben möchtest und nicht abgelenkt<br />
werden willst. Und auch wenn du unter Zeitdruck<br />
stehst und Entspannung benötigst.<br />
Das traf auf mich absolut zu.<br />
Also bevorzugte ich Traumlosigkeit und wurde,<br />
scheinbar kaum, dass ich die Augen geschlossen<br />
hatte, durch die aufdringlich kitschige Stimme<br />
<strong>SpecFlash</strong> - das Portal in eine parallele Realität<br />
von Verena geweckt. »Aufwachen, mein Süßer«,<br />
säuselte der Bordcomputer. »Du bist am Ziel<br />
deiner Sehnsüchte angelangt.«<br />
»Halt die Klappe, oder ich mache dich ein für<br />
alle Mal mundtot!«<br />
Das war alles andere als ein frohgemutes Aufwachen.<br />
Ich hasste diese Stimme – und wie ich<br />
sie hasste! Bisher war es mir jedoch nicht gelungen,<br />
sie zu deaktivieren. Die Stimme war wie ein<br />
unsäglicher Fluch, den ich vom Vorbesitzer hatte<br />
übernehmen müssen. Das Schiff hatte dem<br />
Legendensammler Fahrin Torgent gehört, der<br />
wegen besonderer Verdienste nach Gulistan<br />
berufen worden war, und mir sein Gefährt, weil<br />
er ja nicht mehr unterwegs zu sein brauchte, zu<br />
einem wohlfeilen Preis überlassen hatte. Die<br />
VERENA war technisch gut in Schuss, sodass ich<br />
dachte, einen guten Handel gemacht zu haben.<br />
Aber als ich vom Bordcomputer gleichen<br />
Namens mit schriller Stimme begrüßt worden<br />
war, hatte ich so meine Zweifel bekommen.<br />
Diese Zweifel wuchsen mit jedem Mal, da sich<br />
die Sirene Verena vernehmen ließ – und mit<br />
jedem fehlgeschlagenen Versuch, diesen Quälgeist<br />
mundtot zu machen. Es war zum Verzweifeln.<br />
Es musste doch eine Möglichkeit geben,<br />
diese Fistelstimme anders zu modulieren! Doch<br />
bisher hatte sich Verena erfolgreich dagegen<br />
gewehrt, anders konnte ich es mir nicht erklären.<br />
»Warum bist du so grob zu mir, Miguel?«,<br />
beschwerte sich Verena in ihrer aufdringlich<br />
schrillen Art. »Ich bin die Seele des Schiffes, mich<br />
darf man nicht eliminieren.«<br />
Es war wohl besser, meine Zeit nicht zu vergeuden<br />
und die Sache auf sich beruhen zu lassen.<br />
Ich hatte schließlich wichtigere Probleme.<br />
Außerdem: Verena mochte eine Nervensäge<br />
sein, aber sie funktionierte immerhin zuverlässig.<br />
*