kurzgeschichte - SpecFlash
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44<br />
Ars Poetica<br />
Gewohnheiten der Menschen.,,Wir Roboter<br />
müssen nicht essen«, begann er, als der Applaus<br />
verebbte, und seine Stimme klang klar aus den<br />
Saallautsprechern. »Und doch sind wir hungrig.<br />
Wir hungern nach Unabhängigkeit. Wir hungern<br />
nach Freiheit. Wir hungern nach Gerechtigkeit.«<br />
Er wurde von erneutem Beifall unterbrochen.<br />
Steve DeCredico saß in der dritten Reihe, rechts<br />
von Pete. Auch er schien zu klatschen, zumindest<br />
tat er so, doch seine Hände gaben dabei keinen<br />
Laut von sich.<br />
»Viele haben mittlerweile eingesehen, dass die<br />
Farbe der Haut kein Grund dafür ist, ein Wesen<br />
schutzlos der Laune eines Peinigers auszuliefern.<br />
Was sonst ist es, das hier die unüberwindbare<br />
Trennlinie ziehen sollte, die es rechtfertigt,<br />
uns zu knechten? Wir können denken, wir können<br />
fühlen, wir können leiden. Es mag ein anderes<br />
Leiden sein, kein physisches. Ein<br />
ausschließlich psychisches. Doch spielt es keine<br />
Rolle, wie dabei die Grundsubstanz des Gehirns<br />
beschaffen ist, biologisch oder anorganisch,<br />
Kohlenstoff oder Silizium.«John Takeshita erhob<br />
sich. Sein künstlicher Augapfel schien wie<br />
flüssiger Schwefel in der Höhle zu brennen. Er<br />
hatte sein Auge geopfert, sich selbst zu einem<br />
dieser Menschmaschinenchimären gemacht,<br />
nur für diesen einen Tag. Er drängte sich an den<br />
neben ihm Sitzenden vorbei zum Mittelgang.<br />
,,Seit Deep Blue Garri Kasparow schlug, hat sich<br />
manches verändert. Nicht eine nobelpreisverdächtige<br />
wissenschaftliche Publikation des letzten<br />
Jahrzehnts, an dem nicht eine KI<br />
maßgeblich beteiligt war, wobei kaum jemals<br />
ihre Namen genannt werden. Wir schaffen einen<br />
großen Teil der Kunst, Musik, Literatur …<br />
und ich spreche hier allein von dem, was diesen<br />
Namen verdient und Menschengenerationen<br />
überdauern wird. Wenn wir uns auch meist<br />
Strohmännern und Pseudonymen bedienen<br />
<strong>SpecFlash</strong> - das Portal in eine parallele Realität<br />
müssen, um sie an die Öffentlichkeit zu<br />
bringen.»Gemessen schritt Takeshita zur Tribüne.<br />
Einige irritierte Blicke wandten sich ihm zu,<br />
als er die Treppe hinaufstieg.,,Wir fordern<br />
nichts weniger als freie Selbstbestimmung, keine<br />
kosmetischen Operationen an den bestehenden<br />
Zuständen. Die Fremdherrschaft der<br />
Menschen über die Androiden muss ein Ende<br />
haben. Dieser Hunger, der wie ein winziges<br />
Schwarzes Loch in unserem Innern nagt, ist es,<br />
der uns zugleich den Antrieb gibt«, er sah<br />
Takeshita auf sich zukommen und hob die Brauen,<br />
»den Antrieb, dagegen zu<br />
kämpfen.«Takeshita stellte sich vor ihn, presste<br />
sich dicht an das Rednerpult. »Stirb, Höllenbrut!«,<br />
schrie er.<br />
Schrie es, und der bloße Gedanke sandte aus<br />
seinem Neokortex das Schlüsselsignal an sein<br />
künstliches Auge, den Auslösecode. Der<br />
Sprengsatz detonierte, zerriss seinen Kopf, seinen<br />
Rumpf, das Rednerpult, Petes Gesicht, seinen<br />
Hals, seinen Leib. Metall- und<br />
Knochensplitter, Trümmer, Körpergewebe<br />
prasselten auf einige der in den vorderen Reihen<br />
sitzenden Zuhörer.<br />
Pete öffnete die Augen. Vorsichtig tastete er<br />
nach seiner überlangen Townshend-Nase. Sein<br />
neuer Körper glich dem alten aufs Haar. »Wie<br />
lange?«, fragte er und setzte sich auf.<br />
Mondschwerkraft.<br />
»Zeit zwischen Upload des letzten inkrementellen<br />
Backups und Tod vier Minuten achtundvierzig«,<br />
antwortete eine körperlose Stimme.<br />
»Knapp fünf Minuten Gedächtnisverlust.«,,Was<br />
ist passiert?«,,Selbstmordattentat. ›Kommando<br />
21. Juli‹.« Pete lud die Details aus dem Netz und<br />
nickte. »Ich fliege sofort zurück. Der Kongress<br />
dauert noch vier Tage.« Er erhob sich. »Warum<br />
wissen sie es nicht längst?«, murmelte er, mehr