Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Ansprache<br />
Tilo Braune, Staatssekretär im B<strong>und</strong>esministerium für<br />
Verkehr, Bau- <strong>und</strong> Wohnungswesen<br />
Vielen Dank für die fre<strong>und</strong>liche Anmoderation. Ich werde nicht<br />
über Anatomie <strong>und</strong> nicht über Pathologie reden. Ich bin gerne zu<br />
Ihnen gekommen, nicht nur, weil Ihre Inseltagung einen sehr<br />
guten Ruf genießt, sondern auch, weil man natürlich gerne nach<br />
Jersey kommt. Außerdem ist bei mir <strong>Architektur</strong> aus Nordrhein-<br />
Westfalen gut besetzt, weil ich vor einigen Jahren mit einem<br />
Büro aus Hattingen ein schönes Haus gebaut habe, in dem ich<br />
mich auch nach sechs Jahren noch wohl fühle. Ich habe gehört,<br />
dass Sie schon auf anderen Inseln Kongresse durchgeführt<br />
haben, auch auf der mir sehr sympathischen Insel Rügen. Also<br />
ich bin gerne zu Ihnen gekommen.<br />
Herr Miksch, Herr Minister Vesper, meine Damen <strong>und</strong> Herren<br />
Abgeordneten des B<strong>und</strong>estages, des Landtages,<br />
wenn man noch vor fünfzehn Jahren über <strong>Architektur</strong> in Europa<br />
nachgedacht hat, dann ging es in der Regel um Fachexkursionen,<br />
um Bildbände, um italienische Villen oder um die finnische<br />
Moderne. Es ging also eher um Stilfragen, die zwar seinerzeit<br />
heiß diskutiert wurden, die aber auf das Bauen in Deutschland,<br />
auf die tägliche Arbeit von Architekten nur geringe Auswirkungen<br />
hatten – außer dass man das eine oder andere italienische<br />
Detail heute in unseren Städten findet. Ich glaube, das ist heute<br />
deutlich anders: das Arbeiten, das Bauen, das Planen, die Arbeit<br />
der Architektenbüros sind internationaler geworden, <strong>und</strong> ich<br />
verstehe diesen Kongress durchaus als einen Aufruf, gemeinsam<br />
zu überlegen, was dieser Wandel für uns alle bedeuten kann. In<br />
dieser Debatte sind uns andere gesellschaftliche, kulturelle <strong>und</strong><br />
ökonomische Bereiche sicherlich ein ganzes Stück voraus. Sie alle<br />
kennen die deutsche Situation: Die deutsche Bauwirtschaft <strong>und</strong><br />
das deutsche Planungswesen sind einem strukturbedingten<br />
Wandlungsprozess unterworfen, der unter anderem auch weiterhin<br />
zu einem Abbau von Kapazitäten führen wird. Im vergangenen<br />
Jahr ist die Arbeitslosigkeit unter Architekten deutlich angestiegen,<br />
<strong>und</strong> es kommt weiterhin mehr gut ausgebildeter Nachwuchs auf<br />
den Markt, als Architekten ausscheiden. Das beschreibt durchaus<br />
ein Problem.<br />
Der Markt, den es daher zu erobern gilt, heißt deshalb Europa.<br />
Die deutschen Architekten haben sich bisher, so scheint es, etwas<br />
vornehm bei der Eroberung dieses Marktes zurückgehalten. Nur<br />
2 % von ihnen exportieren, verglichen mit 20 % in Großbritannien,<br />
10 % in Österreich, 7 % in Frankreich. Weil ich genau weiß <strong>und</strong><br />
sicher bin, dass wir in Deutschland mehr können, erscheint mir<br />
diese Situation völlig unbefriedigend. Auch deshalb, weil der<br />
Verzicht – vielleicht begründet durch die Sonderkonjunkturen der<br />
90er Jahre – da durchaus eine negative Eigendynamik entwickelt<br />
haben mag. Die Umfrage der B<strong>und</strong>esarchitektenkammer durch<br />
das Forsa-Institut im vergangenen Jahr, Sie wissen es wahrscheinlich,<br />
hat festgestellt, dass deutsche <strong>Architektur</strong> zwar für<br />
technische <strong>und</strong> funktionale Perfektion <strong>und</strong> einen ausgeprägten<br />
Qualitätsanspruch steht, ihr Image jedoch ist trotzdem relativ<br />
schlecht, weil es offensichtlich nicht intensiv genug vermarktet<br />
wird.<br />
Diese Tagung heute <strong>und</strong> morgen stellt noch einen weiteren<br />
Zusammenhang her, nämlich den zwischen <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Politik</strong>. Eine Reihe europäischer Nachbarländer hat in den letzten<br />
Jahren genau durch diesen Dialog zwischen <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Politik</strong> architekturpolitische Programme erarbeitet <strong>und</strong> es damit<br />
geschafft, die Baukultur zu verbessern. Viel ist dabei von den<br />
Niederlanden geredet worden, wo es bereits seit über zehn<br />
Jahren eine <strong>Architektur</strong>politik gibt <strong>und</strong> mit dem „Reichsbaumeister“<br />
einen eigenen Ansprechpartner von hoher fachlicher<br />
Autorität. Es wurde der Aufbau einer ganzen Reihe von Institutionen<br />
unterstützt, die heute die Breitenwirkung der niederländischen<br />
Baukultur im In- <strong>und</strong> Ausland begründen <strong>und</strong> dafür verantwortlich<br />
sind, dass diese ein Exportsschlager geworden ist.<br />
Auch in Finnland begann schon Mitte der 90er Jahre die<br />
Beschäftigung mit einer zusammenfassenden <strong>Architektur</strong>politik,<br />
<strong>und</strong> seit fünf Jahren gibt es ein architekturpolitisches Programm<br />
der finnischen Regierung, das jetzt umgesetzt wird.<br />
Wir können, wir wollen <strong>und</strong> wir müssen in Deutschland dies<br />
nicht kopieren. Das funktioniert sicherlich so nicht, aber mehr<br />
anstrengen sollten wir uns schon <strong>und</strong> eigene Akzente, eigene<br />
Ideen, eigene Lösungen <strong>und</strong> Strukturen finden. Die B<strong>und</strong>esregierung<br />
bekennt sich ausdrücklich zu dieser Herausforderung. Wir wollen<br />
gemeinsam mit Ihnen dieses Thema angehen. Für die B<strong>und</strong>esregierung<br />
ist das konkrete Wirtschaftspolitik für Architekten, aber<br />
sie ist zugleich ein ganzes Stück mehr. Sie bezieht sich auf die<br />
Qualität der gebauten Umwelt, auf die Gestaltung, die