Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Auf dem Felde der auswärtigen <strong>Politik</strong> wie<br />
der Verteidigungspolitik ist Europa enger<br />
zusammengerückt.<br />
Am 1. Januar 1999 trat die Währungsunion ins Leben, der heute<br />
zwölf der 15 EU-Länder angehören, <strong>und</strong> seit anderthalb Jahren<br />
haben wir alle den Euro im Portemonnaie.<br />
Auf dem Felde der auswärtigen <strong>Politik</strong> wie der Verteidigungspolitik<br />
ist Europa enger zusammengerückt. Seit fast vier Jahren<br />
amtiert Javier Solana als hoher Repräsentant der Gemeinsamen<br />
Außen- <strong>und</strong> Sicherheitspolitik. Er ist kein Zar der europäischen<br />
Außenpolitik; das wurde uns in der Irak-Krise drastisch vor<br />
Augen geführt. Aber die Kritiker übersehen gern, dass Europa<br />
doch in vieler Hinsicht mit einer Stimme spricht – was den arabisch-israelischen<br />
Konflikt angeht, zum Beispiel, oder in Bezug<br />
auf Kashmir oder Korea. Zugegebenermaßen ist die Wirkung bisher<br />
begrenzt. Doch solle man fairerweise hinzufügen, dass – bei<br />
Lichte betrachtet – auch der Hypermacht Amerika kein größerer<br />
Erfolg beschieden ist.<br />
Zugleich gewinnt die Europäische Union mehr <strong>und</strong> mehr militärisches<br />
Gewicht. Wir haben seit 1996 das Eurokorps, in dem deutsche<br />
<strong>und</strong> französische Soldaten neben Spaniern <strong>und</strong> Belgiern<br />
Dienst tun. Wir haben ein deutsch-dänisch-polnisches Korps. Und<br />
wir haben ein deutsch-niederländisches Korps, das derzeit in<br />
Afghanistan bei der ISAF die Funktion der lead nation innehat.<br />
Ein schneller Eingreifverband von 60.000 Mann ist im Aufbau<br />
<strong>und</strong> soll nächstes Jahr einsatzbereit sein. Im übrigen werden die<br />
schlimmsten Defizite jetzt beseitigt: Eine europäische Lufttransportflotte<br />
ist beschlossene Sache; mit dem Galileo-System legen<br />
wir uns eine eigene Satelliten-Aufkärungskapazität zu; auch<br />
moderne Präzisionswaffen sind im Zulauf oder in der<br />
Entwicklung. Aller amerikanischen Kritik zum Trotz brauchen wir<br />
unser Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Die Europäer stellen<br />
85 Prozent der Soldaten auf dem Balkan. Selbst in Afghanistan<br />
stehen mehr europäische Truppen als amerikanische.<br />
Und in diesen Tagen, meine Damen <strong>und</strong> Herren, hat uns Giscard<br />
d’Estaing den Entwurf einer europäischen Verfassung vorgelegt.<br />
Verfassung – das Wort war vor zwei Jahren noch tabu. Wenn<br />
Giscards Entwurf auch noch nicht der ganz große Wurf ist – er<br />
ist doch ein weiter Wurf, <strong>und</strong> ein Schritt in die richtige Richtung.<br />
Gewiss, er bringt uns einen Europa-Präsidenten <strong>und</strong> einen<br />
Europa-Minister mit zunächst nur bescheidenen Befugnissen.<br />
Mehr wäre den Völkern heute auch nicht zuzumuten. Die nächste<br />
Station heißt nun einmal Vereinigtes Europa der Staaten. Bis<br />
daraus die Vereinigten Staaten von Europa werden, wird noch<br />
viel Wasser den Rhein <strong>und</strong> die Weichsel hinunterfließen, den<br />
Tejo, den Tiber <strong>und</strong> die Themse. Aber seien wir nicht ungeduldig.<br />
Gut Ding will Weile haben.<br />
Deswegen brauchen wir aber keineswegs den Kopf hängen zu<br />
lassen. Europa ist kein Super-Flop, bloß weil es sein Fernziel nicht<br />
schon morgen erreicht. Es ist längst mehr als ein Supermarkt. Es<br />
muss auch keine Supermacht werden oder werden wollen. Es<br />
genügt durchaus, dass es sich zu einem Superstaat entwickelt,<br />
der sein eigenes Gewicht – vornehmlich sein wirtschaftliches <strong>und</strong><br />
ideelles Gewicht – auf die Waage bringt. Wir sollen uns nicht<br />
kleiner machen als wir sind.<br />
In dieser Friedenspolitik wird es darauf ankommen,<br />
der nicht-militärischen Krisenprävention <strong>und</strong><br />
Krisenlösung Raum zu schaffen – auch darauf übrigens,<br />
im Zuge der Krisen-Nachsorge nation-building<br />
zu betreiben. Die Amerikaner haben dazu weder<br />
Neigung noch Erfahrung. Dies kann Europa besser.<br />
Euroland ist die größte Handelsmacht unserer Zeit. In der künftigen<br />
EU der 25 leben 450 Millionen Menschen (USA 285, Japan<br />
127). Die heutige Europäische Union erwirtschaftet 20 Prozent<br />
des Weltsozialprodukts – mehr als die Vereinigten Staaten.<br />
Die EU muss ihren Ehrgeiz nicht darein setzen, den Amerikanern<br />
militärisch ebenbürtig zu werden. Wir haben keinen globalen, geschweige<br />
denn hegemonialen Ehrgeiz. Notgedrungen werden wir<br />
uns an Europas Peripherie engagieren müssen. Auf weltweite Interventionen<br />
aber werden wir uns in aller Regel nicht einlassen können.<br />
Dem Wahn der Überrüstung sollen wir abschwören, wiewohl wir<br />
ohne einen Mindestumfang an militärischer Muskulatur unser<br />
Gewicht auch in der Friedenspolitik nicht werden zur Geltung<br />
bringen können. In dieser Friedenspolitik wird es darauf ankommen,<br />
der nicht-militärischen Krisenprävention <strong>und</strong> Krisenlösung<br />
Raum zu schaffen – auch darauf übrigens, im Zuge der Krisen-<br />
Nachsorge nation-building zu betreiben. Die Amerikaner haben<br />
dazu weder Neigung noch Erfahrung. Dies kann Europa besser.<br />
Die Europäische Union ist ein Erfolgsmodel für Frieden, Freiheit<br />
<strong>und</strong> Demokratie, für Rechtstaatlichkeit <strong>und</strong> sozial wie ökologisch<br />
flankierten Wohlstand. Nach tausend Jahren ständiger Bürgerkriege<br />
haben wir Europäer es geschafft, uns über Gräben <strong>und</strong> Gräber<br />
hinweg zu versöhnen. Durch entschlossenes Aufeinander-<br />
Zugehen haben wir die Vergangenheit bewältigt <strong>und</strong> der Zukunft<br />
eine Gasse gebahnt. Unsere Methode war die des Verhandelns<br />
<strong>und</strong> Verrechtlichens, des Redens <strong>und</strong> Regelns, letztlich auch des<br />
Kompromisse-Schließens. Auch wenn sie nicht überall funktionieren<br />
mag – ein Exportartikel ist diese Methode allemal.