12.12.2012 Aufrufe

Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zehn Prozent der Weltbevölkerung erzeugen<br />

70 Prozent der Güter <strong>und</strong> erzielen damit<br />

70 Prozent aller Einkünfte.<br />

Es ist ja nicht so, als hätte die Entwicklungspolitik der nördlichen<br />

Industriestaaten über das vergangene halbe Jahrh<strong>und</strong>ert gar keine<br />

Früchte getragen. Viele Länder der Dritten Welt haben eindrucksvolle<br />

Fortschritte gemacht. In den neunziger Jahren fiel die Zahl<br />

der Menschen, die in extremer Armut leben, von 29 Prozent auf<br />

23 Prozent. Im selben Zeitraum erhielten 800 Millionen Menschen<br />

Zugang zu sauberem Trinkwasser; die Sterblichkeit der Kinder<br />

unter fünf Jahren halbierte sich (von 96 auf 50 pro 1.000 Personen);<br />

Schulbesuch ist nun Pflicht in 51 Ländern mit 41 Prozent der<br />

Weltbevölkerung; die Lebenserwartung hat sich überall verlängert.<br />

Dieser Erfolgsbericht ließe sich in vielfältiger Hinsicht fortsetzen.<br />

Doch darf man daneben nicht übersehen, dass fast auf der ganzen<br />

unterentwickelten Hälfte unserer Erde die Bevölkerungsexplosion<br />

aufzufressen droht, was <strong>Politik</strong>, Technik <strong>und</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

an Fortschritt gebracht haben. Noch immer leben<br />

1,2 Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar täglich,<br />

<strong>und</strong> 3 Milliarden – die Hälfte der Menschheit – von weniger als<br />

2 Dollar. Vierzig Prozent haben keinen Zugang zu sauberem<br />

Wasser, ein Sechstel der Erdbevölkerung ist ohne jede ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Betreuung. Fünfzig Prozent der Erwachsenen sind noch<br />

immer Analphabeten. Jeden Tag sterben 35.000 Kinder an<br />

Hunger. Die Lebenserwartung liegt im statistischen Durchschnitt<br />

des Nordens bei über 75 Jahren, im Süden bei 52. Der Abstand<br />

im Einkommen zwischen dem reichsten Fünftel <strong>und</strong> dem ärmsten<br />

Fünftel der Erde hat sich von 36 Prozent auf 74 Prozent verdoppelt.<br />

Zehn Prozent der Weltbevölkerung erzeugen 70 Prozent<br />

der Güter <strong>und</strong> erzielen damit 70 Prozent aller Einkünfte.<br />

Im marxistischen Sprachgebrauch wurden solche Zustände eine<br />

revolutionäre Situation genannt. Die Herausforderung, vor der<br />

wir stehen, liegt darin, den Ausbruch einer Revolution zu verhindern.<br />

Sie könnte uns alle verschlingen. Einige ernst zu nehmende<br />

Beobachter des Westens glauben ja, im Terrorismus Osama bin<br />

Ladens schon das erste Donnergrollen dieser Revolution zu vernehmen.<br />

Ich teile diesen Glauben nicht; bin Ladens F<strong>und</strong>amentalismus<br />

hat andere Wurzeln. Als Historiker weiß ich jedoch, dass<br />

Armut <strong>und</strong> Elend immer zur Rechtfertigung herangezogen werden,<br />

wenn es darum geht, die herrschende Ordnung umzustürzen. Sie<br />

bieten den Nährboden, in dem die Saat der F<strong>und</strong>amentalisten<br />

<strong>und</strong> Umsturzprediger aufgehen kann. Das Anwachsen der<br />

Ungleichheit innerhalb der Staaten im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert hat uns<br />

die beiden großen Plagen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts beschert: den<br />

Faschismus <strong>und</strong> den Kommunismus. Wir müssen verhindern, dass<br />

das Anwachsen der Ungleichheit zwischen Nord <strong>und</strong> Süd im<br />

21. Jahrh<strong>und</strong>ert ähnliche Plagen über uns bringt.<br />

Diese Einsicht hat die Staatsmänner der Welt dazu bewogen, zur<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende das Milleniums-Programm zu verabschieden.<br />

Dessen Ziel ist es, Armut <strong>und</strong> Hunger auf der Erde bis zum Jahre<br />

2015 zu halbieren, Schulbildung für alle <strong>und</strong> die Gleichstellung<br />

der Geschlechter durchzusetzen, die Kindersterblichkeit um zwei<br />

Drittel zu vermindern <strong>und</strong> die Zahl derer, die kein sauberes Trinkwasser<br />

haben, um die Hälfte zu reduzieren. Den großen Worten<br />

sind bisher freilich nicht viele Taten gefolgt. Die Entwicklungshilfe<br />

ist nur unwesentlich aufgestockt worden, nachdem sie lange Zeit<br />

Jahr für Jahr zurückgestutzt worden war. Aber zum Durchbruch,<br />

zum wirklichen Aufbruch hat es bisher nicht gereicht.<br />

Es kommt denn vor allem darauf an, die<br />

Globalisierung nicht wild wachsen <strong>und</strong><br />

wuchern zu lassen, sondern sie politisch zu<br />

gestalten.<br />

Die heutigen Gegner des Kapitalismus haben die Losung ausgegeben:<br />

„Stoppt die Globalisierung“. Aber der Porto-Alegre-Mensch,<br />

der da dem Davos-Menschen entgegentritt, ist meiner Ansicht<br />

nach auf dem Holzweg. Die Globalisierung birgt gewiss Risiken,<br />

doch zugleich bietet sie ungeheure Chancen. Sie ist wie der Regen:<br />

Er nährt uns, aber zu viel in zu kurzer Zeit löst Überschwemmungen<br />

aus (Joseph Nye). Welche Chancen die Globalisierung bietet,<br />

sieht man am deutlichsten in China. Ohne seine Öffnung zur<br />

Welt, zum Weltmarkt vor 25 Jahren, wäre es noch immer ein<br />

armseliger Haufen blauer Ameisen. Ohne die Globalisierung hätten<br />

auch nicht 3 Milliarden Menschen Zugang zu den Industriemärkten<br />

der Welt gef<strong>und</strong>en.<br />

Es kommt denn vor allem darauf an, die Globalisierung nicht<br />

wild wachsen <strong>und</strong> wuchern zu lassen, sondern sie politisch zu<br />

gestalten. Dabei muss es das vorrangige Ziel sein, stabile weltweite<br />

Märkte mit fairen Marktbedingungen für alle zu schaffen.<br />

Dies setzt Mehreres voraus.<br />

Erstens: In einer Zeit, wo wir national deregulieren müssen, um<br />

unserer Wirtschaft frische Luft zuzuführen, müssen wir international<br />

regulieren, um Bedingungen der Fairness zu gewährleisten.<br />

Das heißt in erster Linie, dass der Norden dem Süden vormachen<br />

muss, wie man sich in internationalen Organisationen <strong>und</strong> Institutionen<br />

wie der WTO, der Weltbank <strong>und</strong> dem Weltwährungsfonds<br />

regeltreu verhält. Es liegt nur wenig Ansporn für die Entwicklungsländer<br />

darin, dass sich zum Beispiel in der WTO die<br />

Amerikaner <strong>und</strong> die Europäer dauernd streiten <strong>und</strong> sich um die<br />

Erfüllung ihrer Pflichten drücken, so lange es irgend geht.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!