Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Europa – <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> <strong>Politik</strong> am<br />
Beispiel Finnland/Österreich<br />
Alfred Berger<br />
Architekt, Wien<br />
Beim Nachdenken über den Zusammenhang von <strong>Politik</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Architektur</strong>, beim Versuch, das „<strong>und</strong>“ zwischen <strong>Politik</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Architektur</strong> näher zu fassen, drängen sich die beiden Pole auf:<br />
<strong>Architektur</strong> durch <strong>Politik</strong> oder <strong>Architektur</strong> trotz <strong>Politik</strong>?<br />
<strong>Architektur</strong> gefördert <strong>und</strong> im Einklang mit der <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> den<br />
Verhältnissen, oder <strong>Architektur</strong> als Produkt gesellschaftlicher<br />
Entwicklungen, die sich nicht im Einklang oder gar im Widerstreit<br />
mit den offiziellen Zielen der <strong>Politik</strong> des Landes befinden?<br />
Diese pointierte Fragestellung steckt uns den Rahmen ab, innerhalb<br />
dessen wir heute die Rahmenbedingungen der <strong>Architektur</strong><br />
in Finnland <strong>und</strong> in Österreich betrachten.<br />
Um den Zusammenhang zwischen <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> <strong>Politik</strong> in einem<br />
Land aufzuspüren, genügt es kaum, eine Analyse der letzten<br />
Jahre vorzulegen. Singuläre Ereignisse können zur Verwechslung<br />
zwischen einer momentan gültigen Situation <strong>und</strong> strukturellen<br />
Gegebenheiten führen. Zu leicht geht im Schatten der Begeisterung<br />
für einzelne Werke der Blick für die Rahmenbedingungen verloren<br />
– der Blick für jene große Konstante, die diese Werke mitgeprägt<br />
hat, nämlich der Blick auf die Baukultur eines Landes.<br />
Unbestritten ist jedenfalls das hervorragende Niveau der <strong>Architektur</strong>produktion<br />
in beiden Ländern. Bekannt sind die starken<br />
Impulse auf die internationalen Entwicklungen der <strong>Architektur</strong>,<br />
die immer wieder von diesen beiden kleinen Staaten ausgingen.<br />
Was hat jedoch die <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> was haben die staatlichen<br />
Institutionen zu diesen Erfolgsgeschichten beigetragen?<br />
Lassen Sie uns zu Beginn feststellen, dass sowohl Finnland als<br />
auch das heutige Österreich Kinder des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts sind,<br />
genauer gesagt: Beide Staaten sind den Wirren des Ersten Weltkrieges<br />
entsprungen. Während jedoch die Finnen ihre Staatswerdung<br />
von 1917 als großen Schritt in die Selbständigkeit<br />
feierten, erlebten viele Österreicher die Gründung der 1. Republik<br />
1919 als Verlust einstiger Größe <strong>und</strong> Macht – ja geradezu als<br />
Schmach.<br />
Dementsprechend war die Ausgangsposition für alles, was in den<br />
Bereich Selbstdarstellung des Staates oder der Nation fällt, sehr<br />
unterschiedlich. Ebenso wie das Verhältnis zwischen Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> Staat in beiden Ländern verschieden war, konnte auch das<br />
Verhältnis zwischen <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong> nicht dasselbe sein.<br />
Finnland 1:<br />
Finnland war vom Mittelalter bis 1808 unter schwedischer<br />
Herrschaft <strong>und</strong> ab 1809 ein Großherzogtum der Russischen<br />
Krone. Unter dieser andauernden Fremdherrschaft entwickelte<br />
sich im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert – nicht ohne Parallelen zur Entwicklung<br />
anderer Völker Europas – ein finnisches Nationalbewusstsein,<br />
das im Wunsch nach staatlicher Unabhängigkeit gipfelte.<br />
Künstler begannen in dieser Zeit ihre Arbeiten mit der Idee des<br />
Finnischen zu verbinden. Der Selbständigkeitsgedanke fand seinen<br />
Ausdruck im Nationalromantischen Stil. (Dieser kann als<br />
finnische Version der Jugendstilbewegung verstanden werden.)<br />
Auf der Suche nach authentischen Motiven durchstreiften junge<br />
Künstler Karelien. Auch der Sagenschatz – der Kalevala – wurde<br />
neu aufgeschrieben <strong>und</strong> publiziert. Die Bewegung kam damals<br />
dem Traum vom Gesamtkunstwerk sehr nahe – neben Literatur,<br />
Musik <strong>und</strong> den bildenden Künsten erlebten die <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong><br />
auch das Kunsthandwerk eine Blüte.