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Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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sein, was es bis 1850 schon gewesen ist: die größte Nationalökonomie<br />

der Erde. Schon heute wirft es einen langen Schatten<br />

über Asien. Es mag sich weiter öffnen <strong>und</strong> modernisieren; es<br />

mag abermals in bittere Linienkämpfe zurückfallen; es mag den<br />

Fliehkräften erliegen, die in China immer wieder den Reichszentralismus<br />

bedroht haben. Es könnte sich zur ehrgeizigen asiatischen<br />

Vormacht stilisieren oder zu einer Kraft des Ausgleichs. Es ist<br />

wohl gut, sich auf sämtliche Möglichkeiten einzurichten.<br />

Das China von heute ist ein Zwitter: Die Wirtschaft ist liberalisiert,<br />

auch das Verwaltungs- <strong>und</strong> Rechtssystem hat vielerlei Lockerung<br />

erfahren, um das Aufblühen der Wirtschaft zu ermöglichen. Das<br />

politische System wird jedoch noch immer von der Partei beherrscht.<br />

In dieser Hinsicht gibt es wenig Lockerung, <strong>und</strong> Dissidenten werden<br />

nach wie vor brutal unterdrückt. Der wirtschaftliche Erfolg ist<br />

unbestreitbar: Zwischen 1980 <strong>und</strong> 2000 hat sich das Prokopfeinkommen,<br />

nach Kaufkraft bemessen, beinahe verdreifacht, von<br />

1,394 auf 3,760 Dollar. 170 Millionen Menschen haben sich über<br />

die Armutslinie nach oben gearbeitet. Die Sonderwirtschaftszone<br />

Shenzen erzeugte 1981 Güter im Wert von 17 Millionen Dollar,<br />

heute liegt der Produktionswert bei 30 Milliarden. Allerdings gibt<br />

die Kehrseite der Medaille Anlass zur Besorgnis: 150 Millionen<br />

Wanderarbeiter streifen durch das Land, auf die maroden Staatsbetriebe<br />

entfällt noch immer die Hälfte der Industrieproduktion,<br />

die großen Banken sind eigentlich bankrott; die Landreform<br />

stockt. China ist bis heute ein Dritt-Welt-Land mit einer nur sehr<br />

kleinen Bourgoisie. Seine Führung hat das Reich der Mitte auf<br />

einen Weg gestoßen, von dem niemand weiß, wohin er führt: zur<br />

Demokratie oder ins Chaos.<br />

„Perspektiven eines freien Weltmarktes in einer neuen Weltordnung“ Dr. Theo Sommer<br />

Japan hat sich während des Kalten Krieges unter den schützenden<br />

Schirm der Amerikaner geduckt <strong>und</strong> sich ganz auf eine wirtschaftliche<br />

Expansion geworfen. Dabei haben die Samurais im<br />

dunklen Tuch des Geschäftsmanns uns in Bew<strong>und</strong>erung <strong>und</strong><br />

zuweilen in Furcht versetzt. Doch wachsen Nippons ökonomische<br />

Bäume schon lange nicht mehr in den Himmel. Seit zwölf Jahren<br />

steckt das Inselreich in einer tiefen wirtschaftlichen Krise; die<br />

Wachstumsrate ist auf Null gesunken; alle milliardenschweren<br />

Ankurbelungsprogramme haben nicht gefruchtet. Zugleich ist<br />

das alte parteipolitische System hoffnungslos erstarrt <strong>und</strong> verkrustet.<br />

Das Land wirkt nicht regierungsfähig – es vermittelt<br />

schon fast den Eindruck, dass es gar keine Regierung mehr hat.<br />

Aber eines Tages wird es sich wieder erholen – <strong>und</strong> es ist nicht<br />

auszuschließen, dass ein Mann wie der Gouverneur Ishihara in<br />

der Präfektur Tokio, seinem ganzen Auftreten nach eine Art japanischer<br />

Haider oder Le Pen, das Land erneut auf einen sehr<br />

selbstbewussten nationalistischen Kurs zwingt.<br />

Andere Staaten der Dritten Welt werden aus dem Schatten treten<br />

<strong>und</strong> die derzeitige unipolare Ordnung anfechten: Indien mit<br />

seiner Milliarde Menschen, Indonesien (wenn es nicht auseinanderplatzt),<br />

Brasilien, Argentinien <strong>und</strong> noch fünf oder sechs<br />

weitere, die heute den „Big Emerging Markets“ – den großen<br />

aufsteigenden Märkten – zugerechnet werden. Und irgendwann<br />

bald werden diese Märkte sich in Mächte verwandeln, die ihren<br />

Platz an der Sonne verlangen.<br />

Heute zählt die Staatengemeinschaft etwa 220 Staaten; 190<br />

davon sind Mitglied der Vereinten Nationen. Als Demokratien im<br />

vollen Sinne des Begriffs lassen sich jedoch höchstens 70<br />

bezeichnen. Die anderen kennen nur Spielarten autoritärer<br />

Herrschaft. Niemand ist stark genug, sie alle zur Demokratie zu<br />

bekehren. Bei einigen mag es durch Überzeugung gelingen.<br />

Andere werden sich wehren <strong>und</strong> Feindschaft predigen.<br />

Wer sich all diese Entwicklungsmöglichkeiten vor Augen hält, der<br />

erkennt rasch, wie wichtig es ist, dass Europa sich zusammenschließt.<br />

Nur so kann es sich wappnen gegenüber den Fährnissen<br />

der Zukunft.<br />

Dies bringt mich zur gegenwärtigen <strong>und</strong> künftigen Rolle<br />

Europas. Wer nur die morgendlichen Schlagzeilen liest, der kann<br />

leicht in Verzweiflung geraten. Wer aber das halbe Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

in den Blick nimmt, das seit den ersten Europa-Verträgen vergangen<br />

ist, der Montan-Union <strong>und</strong> der Gründung der<br />

Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, der kann nur staunen<br />

über das enorme Maß des seitdem Erreichten. Aus der ursprünglichen<br />

Gemeinschaft der Sechs ist inzwischen eine Union der<br />

Fünfzehn geworden, die sich nächstes Jahr um weitere zehn<br />

Mitglieder nach Osten erweitern wird. Auf den verschiedensten<br />

Feldern ist überdies die Zusammenarbeit in einem Grade verdichtet<br />

worden, wie es sich 1985 kaum einer hätte träumen lassen.<br />

Wir haben seit 1990 den Einheitlichen Binnenmarkt.<br />

Seit dem Schengener Vertrag von 1995 sind die Grenz- <strong>und</strong><br />

Zollkontrollen zwischen mittlerweile 13 der 15 Mitgliedsstaaten<br />

abgeschafft worden.<br />

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