Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Ansprache<br />
Dr. Michael Vesper<br />
Stellvertretender Ministerpräsident <strong>und</strong> Minister<br />
für Städtebau <strong>und</strong> Wohnen, Kultur <strong>und</strong> Sport des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Meine sehr geehrten Damen <strong>und</strong> Herren Abgeordneten, lieber<br />
Präsident Miksch, mein lieber Kollege Braune, sehr geehrte<br />
Damen <strong>und</strong> Herren!<br />
Ich freue mich außerordentlich, heute gemeinsam mit Ihnen auf<br />
dieser schönen Insel zu tagen, <strong>und</strong> möchte Ihnen erst einmal<br />
herzliche Grüße von unserem Ministerpräsidenten Peer Steinbrück<br />
überbringen.<br />
Wir sind ja von der Architektenkammer einiges gewohnt, aber<br />
was wir in diesem Jahr erleben, ist ein Höhepunkt: Ein deutscher<br />
Architektenkongress auf englischem Boden, im „Hotel de France“,<br />
das wir mit einer niederländischen Fluggesellschaft erreicht<br />
haben. Ich sage Ihnen: Soviel Internationalismus gab es selten<br />
auf einem Architektenkongress. Diese internationale Ausrichtung<br />
passt aber sehr gut zum Thema meiner Rede „<strong>Architektur</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Politik</strong> – Europa gestalten“!<br />
Wenn man sich als <strong>Politik</strong>er jenseits der beliebten Plattitüden zum<br />
Thema Europa äußern will, wird es kompliziert. Denn bei Europa<br />
liegen Perspektiven mit zuweilen mondialer Bedeutung <strong>und</strong><br />
skurrile Banalitäten sehr eng beieinander. Europa bedeutet einerseits<br />
langfristige Friedenssicherung <strong>und</strong> beschäftigt sich andererseits<br />
mit dem bevorzugten Krümmungsgrad der Banane. Europa<br />
ist für den einen die zentrale weltwirtschaftliche Perspektive für<br />
Deutschland, für den anderen ein Subventions-Selbstbedienungsladen.<br />
Der Verbraucher wird abwechselnd geschützt <strong>und</strong> an der<br />
Nase herumgeführt.<br />
Die größten Errungenschaften Europas sind uns kaum bewusst.<br />
So ist in unseren Städten „das Fremde“ schon heute zum<br />
Bestandteil des Alltags der „Einheimischen“ geworden. Daher ist<br />
für mich Europa ein Synonym für eine vertiefte Verständigung<br />
über das Fremde <strong>und</strong> Neue.<br />
Wir dürfen Europa allerdings nicht auf seine ökonomische<br />
Dimension reduzieren, sonst wird es bald nur noch als Vorbote<br />
der wirtschaftlichen Globalisierung wahrgenommen. Und mit<br />
dem Begriff der Globalisierung verbindet sich die Kritik an den<br />
Global Players, die als Vernichter von Raum <strong>und</strong> Qualität gefürchtet<br />
sind. Jeder kennt die Angst: Die Global Player verhalten sich<br />
wie die Piraten: Sie tauchen auf, räumen ab <strong>und</strong> verschwinden<br />
dann wieder.<br />
Eine damit zusammenhängende europäische Angst besteht in<br />
der Nivellierung der nationalen Eigenheiten <strong>und</strong> Errungenschaften.<br />
Wie hält es Europa mit der Qualität? Wann helfen Normen <strong>und</strong><br />
Standards, wann sind sie nur elegante Umschreibungen für<br />
Qualitätsabbau? Es gibt mindestens zwei Bedingungen dafür, dass<br />
Europa ein von der Bevölkerung getragenes Zukunftsprojekt wird:<br />
• Zum einen darf es keine Reduktion des europäischen<br />
Konzeptes auf die ökonomische Effizienzsteigerung geben.<br />
Der Begriff Europa darf sich nicht darauf reduzieren, dass wir<br />
mehr Lastwagen aus Portugal auf den Straßen haben, dass<br />
wir mehr Tomaten aus Holland essen können <strong>und</strong> sich das<br />
Lohn- <strong>und</strong> Preisniveau absenkt. Europa wird erst zu einer<br />
Vision, wenn es sich eben nicht nur als ökonomisches, sondern<br />
zugleich als soziales <strong>und</strong> kulturelles Projekt verwirklicht. Und<br />
diese sozialen <strong>und</strong> kulturellen Bedingungen haben immer<br />
einen unauflöslichen lokalen Bezug. Europa lebt einzig <strong>und</strong><br />
allein aus der Kraft <strong>und</strong> der Verschiedenheit seiner Regionen.<br />
• Die andere Voraussetzung dafür, Europa zu verstehen, ist die<br />
historische Perspektive. Der Gründungsgedanke der<br />
europäischen Integration, eine Gemeinschaft des Friedens,<br />
der Stabilität <strong>und</strong> des Wohlstands zu errichten, ist angesichts<br />
der neuesten Entwicklung im Nahen Osten aktueller denn je.<br />
Denn dies sind genau die Fragen, die uns im Zusammenhang<br />
mit Europa im Moment berühren. Die aktuellen weltpolitischen<br />
Vorgänge zeigen, dass es zu Europa keine Alternative gibt.<br />
Und damit meine ich gerade auch das „alte Europa“.