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Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW

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Begriff „Neoliberalismus“ fast schon wieder zum Schimpfwort<br />

geworden. Allenthalben wird heute darüber disputiert, wie der<br />

Ellenbogenkapitalismus der neunziger Jahre gezähmt <strong>und</strong> vermenschlicht<br />

werden könne.<br />

So kommt es, dass sich zwölf Jahre nach dem Mauerfall Sorge<br />

ausbreitet, ob unsere Wirtschaftsordnung Zukunft hat, wenn sie<br />

so weiter macht wie in den letzten Jahren. So ist auch zu erklären,<br />

dass kritische Analysen des Kapitalismus auf dem Büchermarkt<br />

zu Bestsellern geworden sind. Dazu gehören das Manifest<br />

der Französin Viviane Forrester – „Der Terror der Ökonomie“, der<br />

Aufschrei der Gräfin Dönhoff „Zivilisiert den Kapitalismus!“ <strong>und</strong><br />

Naomi Kleins Protest-Dokument „No Logo“. Dazu gehören<br />

jedoch auch die Mahnungen von Erz-Kapitalisten wie die des<br />

Großspekulanten (<strong>und</strong> Großphilanthropen) Georg Soros oder<br />

jene des französischen Großversicherers Claude Bébéar. In seinem<br />

Buch „Die Krise des globalen Kapitalismus“ nannte Soros es<br />

wahrscheinlich, „dass die gegenwärtige Version des Kapitalismus<br />

ein schlimmes Ende findet“. Soros erinnerte daran, dass Adam<br />

Smith mit seiner Wirtschaftstheorie eine Moralphilosophie verband,<br />

die keineswegs auf Sozialdarwinismus <strong>und</strong> „Raubkapitalismus“<br />

hinausläuft. Kurz <strong>und</strong> bündig befand er: „Das Überleben der<br />

Stärksten kann nicht zum Leitprinzip einer Gesellschaft werden.“<br />

Ins gleiche Horn stieß jüngst der „Pate“ der französischen<br />

Geschäftswelt, der Groß-Versicherer Bébéar. In seinem Buch „Ils<br />

vont tuer le capitalisme“ übt er scharfe Kritik an dem System,<br />

das ihn reich gemacht hat. Sein Ruf nach Reform zielt in erster<br />

Linie auf einen schleunigen Abschied vom Quartalsdenken, das<br />

zur Fälschung der Bücher <strong>und</strong> zu Unehrlichkeit verführt; in zwei-<br />

ter Linie, dass alle Anspruchsgruppen sich wieder auf ihre<br />

Pflichten besinnen <strong>und</strong> nicht nur ihre Rechte wahrnehmen.<br />

Die Ursachen der Krise<br />

Wie kam es zu der ökonomischen <strong>und</strong> moralischen Krise des<br />

Kapitalismus an der Wende vom 20. zum 21. Jahrh<strong>und</strong>ert?<br />

Vier Ursachen lassen sich dafür dingfest machen: die Globalisierung,<br />

die permanente technologische Innovation, die Überheblichkeit<br />

<strong>und</strong> Skrupellosigkeit vieler Angehöriger der Managerklasse,<br />

schließlich die Hilflosigkeit <strong>und</strong> Ratlosigkeit der Regierungen<br />

angesichts der hartnäckigen strukturellen Arbeitslosigkeit.<br />

Die Globalisierung setzte, Zufall oder nicht, zugleich mit dem<br />

Ende des Kalten Krieges ein <strong>und</strong> griff danach ungebremst um<br />

sich. Nun ist Globalisierung an sich nichts Neues. Sie ist im<br />

Gange, seit die Menschen der Urzeit aus ihren Höhlen in die<br />

Weite der Welt aufbrachen. Sie begann als Produkt-Transfer:<br />

Marco Polo brachte die Nudeln <strong>und</strong> den Rhabarber aus China<br />

nach Europa; Seide <strong>und</strong> Spezereien kamen aus Asien in unsere<br />

Alte Welt; Shakespeares „Perfumes of Arabia“ hüllten im<br />

Abendland die Damen der feinen Gesellschaft ein.<br />

Was wir heute Globalisierung nennen, ist freilich etwas ganz<br />

anderes. Nicht länger geht es bloß um Warenaustausch. Es geht<br />

um die Entnationalisierung der Warenproduktion – „Made in<br />

Germany“ ist eine bedeutungslose Floskel geworden, seitdem<br />

ein deutsches Automobil Teile aus 40 Herren Länder enthält. Es<br />

geht um die Entnationalisierung der Arbeit – produziert wird, wo<br />

Die zweite Ursache der Krise des Kapitalismus liegt in der unaufhörlichen,<br />

ständig sich beschleunigenden technologischen Innovation. Sie wird uns<br />

bald an einen Punkt bringen, wo überhaupt nur noch ein knappes Sechstel<br />

der arbeitenden Menschen mit der Produktion von Gütern beschäftigt ist.<br />

es am billigsten ist; die Arbeitsplätze werden nicht weniger, aber<br />

sie wandern aus. Und es geht um die Entnationalisierung der<br />

letzten Entscheidungsgewalt – die nationalen Regierungen<br />

haben nicht mehr viel mitzureden. Die Entscheidungsträger der<br />

Wirtschaft verselbständigen sich in einem kontrollfreien Raum, in<br />

dem noch keine internationale Obrigkeit die Steuerungs- <strong>und</strong><br />

Aufsichtsfunktionen der entmachteten, umgangenen nationalen<br />

Obrigkeit übernommen hat.<br />

Die zweite Ursache der Krise des Kapitalismus liegt in der unaufhörlichen,<br />

ständig sich beschleunigenden technologischen Innovation.<br />

Sie wird uns bald an einen Punkt bringen, wo überhaupt<br />

nur noch ein knappes Sechstel der arbeitenden Menschen mit<br />

der Produktion von Gütern beschäftigt ist. Dies wirft die bedrückende<br />

Frage auf, ob die Industrie den Weg der Landwirtschaft<br />

geht. Wird der technische Fortschritt im Zeitalter des Spätkapitalismus<br />

die Industrie-Arbeiterschaft genau so verringern wie einst<br />

die Zahl der Bauern <strong>und</strong> Landarbeiter? Wird der Mensch als<br />

Arbeitskraft genau so überflüssig wie nach der Einführung des<br />

Traktors das Pferd? Und wird die neue Wissensindustrie all jenen<br />

Arbeit <strong>und</strong> Brot verschaffen können, die in der Güterproduktion<br />

nicht mehr gebraucht werden?<br />

Auf jeden Fall ermöglicht die neue Technik im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

einen gewaltigen Produktionsanstieg von Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

mit einem Bruchteil der Arbeitskräfte, die wir heute<br />

beschäftigen. Mit dem downsizing der Kosten geht das downsizing<br />

der menschlichen Arbeitskraft einher. Auf die dadurch aufgeworfenen<br />

sozialen Fragen haben wir bis heute keine Antwort gef<strong>und</strong>en.

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