Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Ja, war dies Europa denn bisher unvereint, trotz Eurotel, Eurovision,<br />
Eurospace <strong>und</strong> dreier europäischer Gemeinschaften mit<br />
Vertragswerken von der Höhe <strong>und</strong> Fruchtbarkeit jenes<br />
Rumpfschollengebirges, auf welchem der Kontinent Europa zum<br />
größten Teil besteht, <strong>und</strong> trotz der imponierenden Performance des<br />
Europäischen Parlaments?<br />
Jürgen Kaube in der FAZ bemerkte, in eigenem Stil: „Der<br />
Gegensatz zu Demokratie heißt nicht länger Diktatur, sondern<br />
Brüssel. Zahllose Entscheidungen (…) die auf nationaler Ebene<br />
niemals zustande kämen, werden über europäisches Recht in die<br />
Nationalstaaten eingeführt“, von den Rentenreformen über den<br />
Subventionsabbau zum Verbraucher- <strong>und</strong> Umweltschutz.<br />
Wer macht sich im Angesicht von so viel Pragmatismus also<br />
wirklich noch Illusionen über Europa, wenn nicht jene, die allen<br />
Gr<strong>und</strong> haben, diesen Kontinent als Ausgangspunkt der<br />
Kolonialisierung zu verabscheuen, auch weil die ehemaligen<br />
Kolonialisatoren, legitimiert durch das Lomé-Abkommen, afrikanische<br />
Güter zu Schleuderpreisen auf den Markt werfen, ihre<br />
maschinellen Massenproduktionen gegen die dort handgefertigten<br />
Produkte in Stellung bringen <strong>und</strong> Erziehung <strong>und</strong> Fernsehen<br />
so eurozentrisch anlegen, dass man sich in einem anderen<br />
Kontinent schon kaum mehr auskennt?<br />
Und trotz dieser Bitterkeit träumt man in Afrika, in Teilen des asiatischen<br />
Kontinents von Europa, dem Paradies. Wie erreicht man<br />
dieses Europa der Meinungen, die man sich von ihm macht: Hier<br />
verhungere niemand, hier habe jeder eine Bleibe, hier lasse der<br />
Staat <strong>und</strong> die Justiz niemanden im Stich, hier sei das Leben süß?<br />
Und selbst auf dem Balkan ist das Bild Europas so anders. Dort<br />
ist Europa ein nostalgischer Begriff, der an die Vorkriegszeiten<br />
erinnert, an goldene Jahre. Für die Europäer ist Europa Zukunft,<br />
schreibt Andrei Plesu, für die Menschen auf dem Balkan glücklichere<br />
Vergangenheit. Wie lange haben die neuen Staaten<br />
geträumt von ihrem Eintritt in dieses nostalgisch beschworene<br />
Zeitalter, <strong>und</strong> dann begegnen sie nüchternen EU-Pragmatikern,<br />
die ihnen kostspielige Gemeinschaftsleistungen abverlangen <strong>und</strong><br />
nur Zuwanderung, Kriminalität, Umweltschutz im Kopf haben.<br />
Wer kann bei der Aufnahme in die EU schon Rücksicht nehmen<br />
auf diachrone Entwicklungen?<br />
Dagegen ist das Europa, wie wir es jetzt sehen, eigentlich in<br />
einem Prozess der Desillusionsbildung entstanden, <strong>und</strong> ist das so<br />
erstaunlich? Keine Vision ist bei ihrem Eintritt in die Realität<br />
noch so romantisch wie zum Zeitpunkt, da sie erdacht wurde:<br />
Belsazars Schrift an der Wand ist gespenstischer als eine E-Mail.<br />
Und doch scheint diese nimmermüde beschworene europäische<br />
Vereinigung eine Chimäre, auf die man ewig zugehen kann, bis<br />
man fragt: Ja, war dies Europa denn bisher unvereint, trotz Eurotel,<br />
Eurovision, Eurospace <strong>und</strong> dreier europäischer Gemeinschaften<br />
mit Vertragswerken von der Höhe <strong>und</strong> Fruchtbarkeit jenes<br />
Rumpfschollengebirges, auf welchem der Kontinent Europa zum<br />
größten Teil besteht, <strong>und</strong> trotz der imponierenden Performance<br />
des Europäischen Parlaments?<br />
Europa unvereint, ruft unser Europa, das darf doch wohl nicht<br />
wahr sein, bei all den vielen Städtepartnerschaften <strong>und</strong> gemeinsamen<br />
Hobbies wie Antikommunismus, solidarische Vernichtung<br />
von Agrarüberschüssen <strong>und</strong> konzertierte Truppenübungen! Zu<br />
schweigen von Verständigungsinitiativen wie Fußballschlachten<br />
<strong>und</strong> dem Festival der gesamteuropäischen Drüsenkitzler, genannt<br />
„Grand Prix d’Eurovision de la Chanson“. Die Schlüsselfrage lautet<br />
eher: Wo wäre Europa noch vereinbarer als es schon ist? Und<br />
da der Europäischen Gemeinschaft ja bereits Staaten in Afrika,<br />
der Karibik <strong>und</strong> dem Pazifik per Vertrag von Ja<strong>und</strong>e <strong>und</strong> per<br />
Lomé-Abkommen assoziiert sind, sollte man also vielleicht fragen:<br />
Gesamteuropa, wieviel Afrika ist das, <strong>und</strong> wieviel von der Welt<br />
soll es noch werden?<br />
Gleichzeitig existieren diese Vereinigten Staaten längst als<br />
Montanunion, als Europäische Gemeinschaft für Atomenergie<br />
<strong>und</strong> als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, <strong>und</strong> alle hierzu<br />
geschlossenen Verträge sagen, kaum verschlüsselt, dasselbe:<br />
dass man sich zusammenschließt, um Geld zu verdienen <strong>und</strong><br />
damit, so heißt es wörtlich, „auf Verbesserungen der Lebens<strong>und</strong><br />
Arbeitsbedingungen der Arbeiter hinzuwirken“. Es klingt<br />
heute merkwürdig altmodisch, wenn jemand vom „Arbeiter“<br />
spricht. Denn auch wenn es ihn natürlich gibt, glaubt man einer<br />
Wirtschaftsvereinigung kaum, dass sie sich zusammenfindet, um<br />
ausgerechnet ihm zu helfen?