Architektur und Politik - Landesinitiative StadtBauKultur NRW
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Finnland 3:<br />
Die mehr als 1.000 km lange Grenze zu Russland hatte zu einer<br />
sehr vorsichtigen <strong>Politik</strong> des neutralen Finnland gegenüber dem<br />
starken Nachbarn geführt. Im Zuge dieser <strong>Politik</strong> hatten sich hervorragende<br />
Handelsbeziehungen mit der UdSSR entwickelt.<br />
Waren aller Art, natürlich auch das finnische Holz <strong>und</strong> Papier,<br />
wurden vom Osten mit Öl bezahlt. Erst der Zerfall der UdSSR<br />
offenbarte die starke wirtschaftliche Bindung des Landes an seinen<br />
östlichen Nachbarn. Eine enorme Wirtschaftskrise war die<br />
Folge. Der zügigen Überwindung der Krise verdanken die Finnen<br />
zwei Dinge: NOKIA <strong>und</strong> SISU.<br />
• Über NOKIA ist nicht viel zu sagen – Nokia ist heute eine<br />
Weltmarke! Der enorme Aufschwung des ehemaligen Reifen<strong>und</strong><br />
Gummistiefelherstellers Nokia zum Weltführer am<br />
Handymarkt bescherte der finnischen Wirtschaft in den 90ern<br />
hervorragende Wachstumszahlen.<br />
• Und SISU – sisu bezeichnet die legendäre Zähigkeit der<br />
Lappen, die gewohnt waren, auch bei bösem Wetter so lange<br />
weiterzugehen, bis ein schützendes Lager erreicht war.<br />
„Europa – <strong>Architektur</strong> <strong>und</strong> <strong>Politik</strong> am Beispiel Finnalnd/Österreich“ Alfred Berger<br />
Dennoch sollte uns nicht entgehen, dass sich in den 90er Jahren<br />
wichtige Parameter der finnischen Gesellschaft <strong>und</strong> somit der<br />
<strong>Architektur</strong> verändert haben:<br />
• Lokal versus Global: Der Handel mit den Nachbarn wurde<br />
abgelöst vom Welthandel. Die Isolation am Nordrand Europas ist<br />
aufgehoben. Was Nokia leicht fällt, ist für die übrige Wirtschaft<br />
eine große Herausforderung – auch für die finnischen Architekten.<br />
• Die Mitgliedschaft in der EU zwingt zu einer Neuordnung der<br />
nationalen Selbstdefinition. Welche Rolle spielt in Zukunft das<br />
Nationale?<br />
• Die Landflucht hält an – heute wohnen bereits über 80% der<br />
Finnen am südlichen Küstenstreifen, hauptsächlich im Großraum<br />
Helsinki. Demgegenüber hat die finnische <strong>Architektur</strong> wenig<br />
städtebauliche Konzepte zu bieten. Der Kult des Einzelgängers<br />
wendet sich mehr dem Isolator zu <strong>und</strong> behindert die Entwicklung<br />
von Visionen zur Stadt.<br />
Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt das Schaffen der finnischen<br />
<strong>Architektur</strong>szene hochinteressant.<br />
Austria 3:<br />
Während also in Finnland <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Architektur</strong> in großem<br />
Einklang erschienen, fanden auch die aktuellsten Ereignisse in<br />
der Österreichischen <strong>Architektur</strong> nicht auf ministeriellen Erlass<br />
hin statt.<br />
Vielmehr bilden regionale Initiativen, manchmal gestützt von privaten<br />
Investoren, oder einfach private Initiative den Motor dieser<br />
Entwicklungen.<br />
Vorarlberg:<br />
Wenn wir auch hier kurz zurückblicken, so sehen wir, dass<br />
Vorarlberg seine Begeisterung über das neue Österreich 1920<br />
mit einer Volksabstimmung dokumentierte, nach der Vorarlberg<br />
sich der Schweiz anschließen wollte. Die Schweizer wollten nicht<br />
– somit ist uns Vorarlberg erhalten geblieben. Der begehrliche<br />
Blick zum Nachbarn ist den Vorarlbergern jedoch erhalten geblieben.<br />
Es ist in diesem Zusammenhang nicht weiter erstaunlich,<br />
dass der sonst flächendeckende Vormarsch des Tirolerhauses<br />
ausgerechnet in Vorarlberg zum Stillstand kam. Vielmehr etablierte<br />
sich in den 80er Jahren eine Gruppe engagierter Architekten,<br />
die einen neuen Typus von Einfamilienhäusern entwickelte.<br />
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