05.02.2018 Aufrufe

SPORTaktiv Februar 2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

In deinem Blog erwähnst du eine Ratte<br />

namens Ferdinand…?<br />

Zwölf Tage hat er uns am Boot gequält.<br />

Ein unglaublich intelligentes Tier: Er<br />

hat Staniol-Kugerl auf die Fallen geworfen<br />

und sie damit ausgelöst. Er hat den<br />

Strom bei meiner 230-Volt-Käsefalle<br />

gerochen. Hab ich den Strom abgedreht,<br />

war der Käse plötzlich weg. Er hat alles<br />

angeknabbert und sogar das Bugstrahlruder<br />

kurzgeschlossen. Wenn er das<br />

falsche Kabel angebissen hätte, wären<br />

wir abgebrannt. In der letzten Nacht<br />

vor den Seychellen hab ich ihn erwischt.<br />

Dort hätten sie uns sonst bei der Hygienekontrolle<br />

in Quarantäne gesteckt.<br />

Christian Schiester<br />

(„Fünf Monate lang<br />

hab ich mich nicht<br />

rasiert.“) mit einer<br />

26 kg schweren<br />

Stachelmakrele,<br />

einem der<br />

schnellsten Raubfische<br />

der Ozeane.<br />

Fotos: Christian Schiester, Red Bull Content Pool<br />

Und warum Ferdinand?<br />

Ich hab ihn gerufen, auf alle Arten, mit<br />

allen Schimpfnamen. Und dann hieß er<br />

einfach Ferdl. Wir haben ihn erwischt<br />

und ihn per Seebegräbnis verabschiedet.<br />

So ein Viecherl ist vielleicht ein Symbol<br />

für alles, was dir das Leben schwer machen<br />

kann.<br />

Das schönste Erlebnis?<br />

Wir waren 300 Seemeilen östlich<br />

von Somalia, totale Flaute, das Meer<br />

spiegelglatt. Plötzlich tauchen vor uns<br />

schwarze Rückenflossen auf. Delfine? Zu<br />

groß. Ganz langsam sind wir hingekommen.<br />

Da waren 20 oder 30 riesige Wale,<br />

die an der Oberfläche getrieben sind. Sie<br />

haben sich ausgerastet und wir haben<br />

sie schnaufen gehört. Das war der einprägendste<br />

Moment. Diese wuchtigen<br />

Körper, atemberaubend.<br />

Wie seid ihr technisch ausgerüstet?<br />

Wir haben für Notfälle alles mit und<br />

sind völlig unabhängig. Mit Solarpanelen<br />

und Windgeneratoren erzeugen<br />

wir Strom. Und der Watermaker macht<br />

aus Salzwasser bestes Trinkwasser. 200<br />

Liter in einer Stunde, ein technisches<br />

Wunder. Auf einigen Inseln haben wir<br />

für die Einheimischen Trinkwasser gemacht<br />

und dafür Kokosnüsse, Ananas<br />

oder Mangos bekommen.<br />

Du bist mit deiner Lebensgefährtin<br />

Daniela Bärnthaler unterwegs. Wie ist<br />

diese Zweisamkeit in der Einsamkeit?<br />

Da sehen die meisten die größte Gefahr<br />

(lacht). Aber Dani denkt und spricht<br />

wie ich, wir streiten nie. Ohne sie kann<br />

ich es mir nicht vorstellen. Ich hätte es<br />

sonst alleine und nonstop gemacht, aber<br />

dann wär ich an den schönsten Plätzen<br />

vorbeigesegelt. Und so kann ich die Augenblicke<br />

mit ihr teilen. Wir genießen<br />

und wir philosophieren über Sinn und<br />

Unsinn, machen eine TV-Doku und<br />

schreiben jedes Jahr ein Buch.<br />

Warum soll die Weltumsegelung<br />

genau sieben Jahre dauern?<br />

Sieben Jahre sind nur Eckdaten, ein<br />

ungefährer Zeitplan, wir segeln ja quasi<br />

zickzack. Vielleicht haben wir <strong>2018</strong><br />

schon die Nase voll und lassen es bleiben.<br />

Oder wir sind in 20 Jahren noch<br />

nicht fertig. Es gibt so viele sagenhaft<br />

schöne Plätze, vielleicht bleiben wir<br />

irgendwo picken. Auf den Seychellen<br />

hätten wir gleich bleiben können, in<br />

La Digue zum Beispiel, dort ist das<br />

Paradies. Du verkaufst das Boot, kaufst<br />

dir eine Hütte im Busch, baust Mangos<br />

und Bananen an und: Danke, Wiederschauen.<br />

Vielleicht bekommen wir aber<br />

Heimweh? Dann sind wir wieder in<br />

Österreich.<br />

Wie ist das Jahr geplant?<br />

Von Mitte November bis Ende Jänner<br />

waren wir zu Hause für Vorträge und<br />

Buchpräsentationen. Danach sind wir<br />

zwischendurch nur für ein, zwei Wochen<br />

in Österreich. Aber meine zwei<br />

Kinder oder unsere Verwandten kommen<br />

an besondere Plätze nach, wo wir<br />

uns treffen können. Rund zehn Monate<br />

pro Jahr wollen wir segeln.<br />

Du bist jetzt 50 Jahre alt. Hat dich der<br />

runde Geburtstag nachdenklicher<br />

gemacht?<br />

Wenn die gute Fee kommt und mich<br />

auf 20 Jahre zurückzaubern könnte,<br />

müsste ich sie fragen, ob sie mir die<br />

Erfahrung auch mitnimmt. Sonst bleibe<br />

ich lieber 50. Das ewige Entsprechen<br />

und Ins-System-Passen, ist ein Druck,<br />

den wir doch alle nicht brauchen. Jeder<br />

will alt werden, aber keiner will alt sein.<br />

Jetzt schminken sich schon Männer,<br />

damit man die Falten nicht sieht, eine<br />

Katastrophe. Ich war in Ländern, wo<br />

alte Menschen mit Respekt behandelt<br />

werden. Je mehr Falten, umso mehr Leben<br />

haben sie gesehen.<br />

Wie stellt sich ein Extremsportler<br />

seine Zukunft vor?<br />

Ein Ziel wäre, im Altersheim zu sitzen<br />

und den Leuten zu erzählen, wie die<br />

Wale sind. Aber ich glaube nicht, dass<br />

ich einmal in einem Heim bin. Vielleicht<br />

kaufe ich in Griechenland ein<br />

kleines Häuschen auf einer Insel, fange<br />

Fische und mache mir Erdäpfel dazu.<br />

Aber noch bin ich viel zu neugierig.<br />

Wäre ich nicht so neugierig, würde<br />

ich das jetzt schon machen.<br />

<strong>SPORTaktiv</strong><br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!