SPORTaktiv Februar 2018
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In deinem Blog erwähnst du eine Ratte<br />
namens Ferdinand…?<br />
Zwölf Tage hat er uns am Boot gequält.<br />
Ein unglaublich intelligentes Tier: Er<br />
hat Staniol-Kugerl auf die Fallen geworfen<br />
und sie damit ausgelöst. Er hat den<br />
Strom bei meiner 230-Volt-Käsefalle<br />
gerochen. Hab ich den Strom abgedreht,<br />
war der Käse plötzlich weg. Er hat alles<br />
angeknabbert und sogar das Bugstrahlruder<br />
kurzgeschlossen. Wenn er das<br />
falsche Kabel angebissen hätte, wären<br />
wir abgebrannt. In der letzten Nacht<br />
vor den Seychellen hab ich ihn erwischt.<br />
Dort hätten sie uns sonst bei der Hygienekontrolle<br />
in Quarantäne gesteckt.<br />
Christian Schiester<br />
(„Fünf Monate lang<br />
hab ich mich nicht<br />
rasiert.“) mit einer<br />
26 kg schweren<br />
Stachelmakrele,<br />
einem der<br />
schnellsten Raubfische<br />
der Ozeane.<br />
Fotos: Christian Schiester, Red Bull Content Pool<br />
Und warum Ferdinand?<br />
Ich hab ihn gerufen, auf alle Arten, mit<br />
allen Schimpfnamen. Und dann hieß er<br />
einfach Ferdl. Wir haben ihn erwischt<br />
und ihn per Seebegräbnis verabschiedet.<br />
So ein Viecherl ist vielleicht ein Symbol<br />
für alles, was dir das Leben schwer machen<br />
kann.<br />
Das schönste Erlebnis?<br />
Wir waren 300 Seemeilen östlich<br />
von Somalia, totale Flaute, das Meer<br />
spiegelglatt. Plötzlich tauchen vor uns<br />
schwarze Rückenflossen auf. Delfine? Zu<br />
groß. Ganz langsam sind wir hingekommen.<br />
Da waren 20 oder 30 riesige Wale,<br />
die an der Oberfläche getrieben sind. Sie<br />
haben sich ausgerastet und wir haben<br />
sie schnaufen gehört. Das war der einprägendste<br />
Moment. Diese wuchtigen<br />
Körper, atemberaubend.<br />
Wie seid ihr technisch ausgerüstet?<br />
Wir haben für Notfälle alles mit und<br />
sind völlig unabhängig. Mit Solarpanelen<br />
und Windgeneratoren erzeugen<br />
wir Strom. Und der Watermaker macht<br />
aus Salzwasser bestes Trinkwasser. 200<br />
Liter in einer Stunde, ein technisches<br />
Wunder. Auf einigen Inseln haben wir<br />
für die Einheimischen Trinkwasser gemacht<br />
und dafür Kokosnüsse, Ananas<br />
oder Mangos bekommen.<br />
Du bist mit deiner Lebensgefährtin<br />
Daniela Bärnthaler unterwegs. Wie ist<br />
diese Zweisamkeit in der Einsamkeit?<br />
Da sehen die meisten die größte Gefahr<br />
(lacht). Aber Dani denkt und spricht<br />
wie ich, wir streiten nie. Ohne sie kann<br />
ich es mir nicht vorstellen. Ich hätte es<br />
sonst alleine und nonstop gemacht, aber<br />
dann wär ich an den schönsten Plätzen<br />
vorbeigesegelt. Und so kann ich die Augenblicke<br />
mit ihr teilen. Wir genießen<br />
und wir philosophieren über Sinn und<br />
Unsinn, machen eine TV-Doku und<br />
schreiben jedes Jahr ein Buch.<br />
Warum soll die Weltumsegelung<br />
genau sieben Jahre dauern?<br />
Sieben Jahre sind nur Eckdaten, ein<br />
ungefährer Zeitplan, wir segeln ja quasi<br />
zickzack. Vielleicht haben wir <strong>2018</strong><br />
schon die Nase voll und lassen es bleiben.<br />
Oder wir sind in 20 Jahren noch<br />
nicht fertig. Es gibt so viele sagenhaft<br />
schöne Plätze, vielleicht bleiben wir<br />
irgendwo picken. Auf den Seychellen<br />
hätten wir gleich bleiben können, in<br />
La Digue zum Beispiel, dort ist das<br />
Paradies. Du verkaufst das Boot, kaufst<br />
dir eine Hütte im Busch, baust Mangos<br />
und Bananen an und: Danke, Wiederschauen.<br />
Vielleicht bekommen wir aber<br />
Heimweh? Dann sind wir wieder in<br />
Österreich.<br />
Wie ist das Jahr geplant?<br />
Von Mitte November bis Ende Jänner<br />
waren wir zu Hause für Vorträge und<br />
Buchpräsentationen. Danach sind wir<br />
zwischendurch nur für ein, zwei Wochen<br />
in Österreich. Aber meine zwei<br />
Kinder oder unsere Verwandten kommen<br />
an besondere Plätze nach, wo wir<br />
uns treffen können. Rund zehn Monate<br />
pro Jahr wollen wir segeln.<br />
Du bist jetzt 50 Jahre alt. Hat dich der<br />
runde Geburtstag nachdenklicher<br />
gemacht?<br />
Wenn die gute Fee kommt und mich<br />
auf 20 Jahre zurückzaubern könnte,<br />
müsste ich sie fragen, ob sie mir die<br />
Erfahrung auch mitnimmt. Sonst bleibe<br />
ich lieber 50. Das ewige Entsprechen<br />
und Ins-System-Passen, ist ein Druck,<br />
den wir doch alle nicht brauchen. Jeder<br />
will alt werden, aber keiner will alt sein.<br />
Jetzt schminken sich schon Männer,<br />
damit man die Falten nicht sieht, eine<br />
Katastrophe. Ich war in Ländern, wo<br />
alte Menschen mit Respekt behandelt<br />
werden. Je mehr Falten, umso mehr Leben<br />
haben sie gesehen.<br />
Wie stellt sich ein Extremsportler<br />
seine Zukunft vor?<br />
Ein Ziel wäre, im Altersheim zu sitzen<br />
und den Leuten zu erzählen, wie die<br />
Wale sind. Aber ich glaube nicht, dass<br />
ich einmal in einem Heim bin. Vielleicht<br />
kaufe ich in Griechenland ein<br />
kleines Häuschen auf einer Insel, fange<br />
Fische und mache mir Erdäpfel dazu.<br />
Aber noch bin ich viel zu neugierig.<br />
Wäre ich nicht so neugierig, würde<br />
ich das jetzt schon machen.<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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