SPORTaktiv Februar 2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Keine große Sache, findet Fister: „Bei<br />
Straßenläufen gibt es so was nicht – im<br />
Trail schon.“ Schließlich sei man stundenlang<br />
im relativ niedrigen Belastungsbereich<br />
unterwegs, da komme man eben<br />
ins Plaudern. Irgendwann folge der Entschluss:<br />
„Lauf ma gemeinsam ein.“<br />
Das ist auch etwas, was ihm an der<br />
Szene so behagt: „Es ist alles entspannt,<br />
jeder ist locker drauf. Wenn du 100<br />
Kilometer vor dir hast, geht es auch gar<br />
nicht anders.“ Im Straßenlauf beginne<br />
schon im Startblock der Konkurrenzkampf.<br />
„Dagegen kenne ich ganz wenige<br />
Trailrunner, die verbissen sind.“ Ein,<br />
zwei gäbe es schon. Namen erfährt man<br />
aus seinem Mund natürlich keinen.<br />
Die Lockerheit, die Sancho ausstrahlt,<br />
verführt fast zum Gefühl, man könnte<br />
selber einmal einen 110er mit 6000<br />
Höhenmetern versuchen. Gut, dass er<br />
einen auf den Boden der Realität holt.<br />
Etwa so: „Du kriegst in unserem Sport<br />
eine extrem hohe Schmerzgrenze. Man<br />
leidet stundenlang. Da geht es darum,<br />
das Tief zu überbrücken. Man kommt<br />
schon wieder heraus.“ Und da kommen<br />
wir wieder zum Siegeteilen: „Wenn zwei<br />
vorneweg laufen, hat meistens einer ein<br />
Tief, und der andere motiviert und zieht<br />
ihn. Und später ist es umgekehrt.“<br />
„ICH HAB EINMAL FÜR<br />
EINEN MARATHON<br />
EINEN TRAININGSPLAN<br />
GEHABT. DA SOLLST DU<br />
NACH EINEM LANGEN<br />
ARBEITSTAG HUNDS-<br />
MÜDE EINEN LOCKEREN<br />
30ER MACHEN. DEN<br />
PLAN HABE ICH NIE<br />
EINGEHALTEN.“<br />
Allein in der Natur<br />
Ob er nicht vom Sport leben könnte?<br />
„Ich hab’s tatsächlich einmal überlegt.<br />
Aber da hätte ich schon wieder den<br />
Druck, gewinnen zu müssen. Oder trainieren<br />
zu müssen“, sagt er. Von seinem<br />
Wohnzimmerfenster aus hat man einen<br />
Wahnsinnsblick auf sein Trainingsgelände,<br />
die Berge: Gipfel zum Angreifen.<br />
„Es kommt vor, dass ich loslaufe und<br />
nach einem Kilometer umdrehe. Dann<br />
will der Körper nicht – das hat schon<br />
seinen Sinn.“ Wenn es aber passt, genießt<br />
er die stundenlangen Läufe, das<br />
Alleinsein in der Natur. Einmal hat<br />
Fister nach Plan für einen Marathon<br />
trainiert – „aber den hab ich nie eingehalten.“<br />
Er hat keinen Pulsmesser, dokumentiert<br />
seine Trainingsumfänge per<br />
Hand. Siehe oben, im Notizbuch.<br />
Als passionierter Siegeteiler müssten<br />
die Trail-Etappenrennen für Zweier-Teams<br />
doch etwas für ihn sein?<br />
Stimmt: Den TransAlpineRun hat er im<br />
Vorjahr mit Kristin Berglund bestritten:<br />
„Am Ende ist es der zweite Platz geworden.“<br />
Ein Sieg beim TransAlpineRun,<br />
das wäre schon noch ein Traum, sagt er.<br />
Heuer wird Fister 40 – für seine<br />
Sportart ein ideales Alter. „Bis jetzt bin<br />
ich noch jedes Jahr besser geworden.“<br />
Geht sich neben so einem zeitraubenden<br />
Hobby noch ein zweites aus? „Schwer“,<br />
meint Fister. Der Spitzname Sancho ist<br />
ein Relikt vom Theaterspielen, das er aus<br />
Zeitgründen aufgegeben hat: „Die letzte<br />
Rolle war der Sancho Panza“. Und lässt<br />
sich der zeitintensive Sport denn auch<br />
mit einem Familienleben vereinbaren?<br />
„Es gibt schon viele Trailrunner mit Familie.“<br />
Er selbst war einmal verheiratet<br />
– „jetzt bin ich aber schon seit fast zehn<br />
Jahren bewusst allein. Obwohl: Jetzt<br />
wird es vielleicht doch wieder einmal<br />
Zeit, das zu ändern“, lacht er.<br />
Denn natürlich kann einer, der sich<br />
den Sieg gern teilt, gar kein ungeselliger<br />
Typ sein. Die Kameradschaft bei den<br />
Events sieht er als guten Ausgleich fürs<br />
Training, das lange Alleinsein in der<br />
Natur – „das brauchst du auch, sonst<br />
wirst du eigen“. Ein typisches Trailrunning-Wochenende<br />
laufe so ab: „Eine<br />
Nacht laufen, eine Nacht feiern.“ Noch<br />
eine Information, die man als Außenstehender<br />
nur schwer packt: Nach 10, 15<br />
Stunden laufen sollte man eher glauben,<br />
dass man nur noch ins Hotelbett fällt.<br />
Auf der anderen Seite ist es auch irgendwie<br />
logisch: Auf einen Sieg gehört<br />
angestoßen. Und auf einen geteilten<br />
Sieg erst recht.<br />
Foto: Großglockner Ultratrail/Markus Frühmann<br />
90 <strong>SPORTaktiv</strong>