Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie
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lichen Zeugungspart ersetzte, bekennt er, fand er Lust daran, beinahe<br />
der Schöpfer zu sein, der lebensspendende Quell in der Retorte geborener<br />
Erdenbürger. Bald aber erfasste ihn erneut die Hybris, ließ ihn<br />
feststellen dass er wohl auch keine Mutter mehr brauche. Er wurde<br />
dem Schöpfer ähnlicher, indem er den Ungeborenen Zellen entnahm<br />
und verdoppelte. Verdreifachte. Veränderte. Verbesserte. Doch heute<br />
muss er eingestehen: noch immer kenne er das Geheimnis des Lebens<br />
nicht. So sehr er auch suchte, er fand immer wieder nur seine<br />
Grenzen. Seine tagtäglich schmerzende Blindheit.<br />
Juni <strong>Die</strong> Einsamkeit<br />
Runde um Runde zieht Robinson. <strong>Die</strong> künstliche Sonne der riesigen<br />
Biosphäre geht unter, geht wieder auf. Noch immer wandert er den<br />
leblosen Strand entlang. Führt Selbstgespräche, folgt ziellosen Gedanken.<br />
Womit hat es angefangen? fragt er sich. Als wir die Vögel ausrotteten?<br />
<strong>Die</strong> Fische? Der ewig rauschende, leere Ozean antwortet ihm<br />
nicht. Wie die Wellen anrollen, am Ufer zerspellen, so kehrt die<br />
Erkenntnis zurück, der Letzte zu sein. Mutlos irrt er umher, durchquert<br />
den synthetischen Regenwald, die geometrische Savanne. Still ist<br />
es. So still. Hätte er jemanden zum Reden hier, würde er seinen<br />
Schmerz ihm klagen. ›Das Schlimmste am Alleinsein‹, ruft er in die<br />
verlassene Weite, ›ist, dass man sich nicht aussuchen kann, wen man<br />
meidet.‹ Leise kehrt sein entferntes Echo zurück. Fast scheint es ihn<br />
trösten zu wollen. Homo Solitudinis, der neue Mensch, der einsame<br />
Mensch. Etwa ein Jahr ist es her, dass die letzten Säugetiere starben.<br />
Und die Pflanzen in der giftigen Erde verdorrten. Früher dachte er, das<br />
Chaos und die Fülle der Entscheidungen mache ihm Angst. Nun aber<br />
weiß er – und fühlt es Tag für Tag – der schlimme Schmerz in seiner<br />
Brust, der ihn ständig begleitete, war die wachsende Einsamkeit.<br />
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