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Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

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untersuchenden Phänomene so lange aufzuteilen, bis möglichst homogene<br />

Untersuchungsgegenstände gefunden werden. 7 Wieder zusammengefügt<br />

werden die in diesen Teilbereichen gefundenen Erkenntnisse<br />

nur, wenn sich das als notwendig und möglich herausstellt. <strong>Die</strong> allgemeine<br />

Frage ›Was ist es, das in uns schmerzt?‹ ist hier fehl am Platze.<br />

Etwas anders liegen die Dinge bei der empirisch-qualitativen<br />

Forschung. Den verschiedenen Ansätzen auf diesem Gebiet ist gemeinsam,<br />

dass sie es vermeiden den Forschungsgegenstand vor Untersuchungsbeginn<br />

genau zu spezifizieren und es ablehnen seine Eigenschaften<br />

quantitativ zu erheben. <strong>Die</strong> Beschreibung der genauen<br />

Struktur und der für die Untersuchung relevanten Eigenschaften des<br />

Forschungsgegenstandes wird als Resultat betrachtet, das der Forschungsprozess<br />

erbringen soll. In der Schmerzforschung, aber nicht<br />

nur dort, besteht qualitatives Vorgehen häufig darin Interviews mit<br />

Patienten, ihren Angehörigen, Ärzten oder Therapeuten zu führen und<br />

die so gewonnenen Aussagen durch verschiedene Interpretations- und<br />

Zusammenfassungsmethoden zu verdichten – so weit dies möglich ist. 8<br />

Für unsere Fragestellung scheint die qualitative Herangehensweise<br />

sehr geeignet zu sein. So könnte man sich vorstellen, möglichst viele<br />

Menschen in Interviews danach zu fragen, was in ihnen schmerzt oder<br />

jemals geschmerzt hat, und sie zu bitten, den Kontext, die Ursachen,<br />

ihre eigenen Gedanken und Gefühle angesichts des Schmerzes möglichst<br />

genau zu beschreiben. Dann könnte in der Auswertung versucht<br />

werden herauszuarbeiten, was allen Schmerzbeschreibungen gemeinsam<br />

ist, und aufzulisten, was sie unterscheidet. So hätten wir schließlich<br />

die Antwort auf die Frage ›Was ist es, das in uns schmerzt?‹<br />

gefunden.<br />

Doch wie würde diese Antwort wohl aussehen? Qualitative Erhebungsmethoden<br />

haben im Gegensatz zu quantitativen Messinstrumenten<br />

den Vorteil, immer auch das jeweils Besondere jedes Einzelfalls<br />

zu registrieren. Wenn wir also Aussagen von Jugendlichen über den<br />

Schmerz nach dem Scheitern der ersten Liebe, von Kindern über den<br />

Schmerz bei Mittelohrentzündungen, Aussagen über den Schmerz von<br />

alten Leuten mit Gallensteinen, den Schmerz von Gärtnern über das<br />

Verwelken ihrer Lieblingspflanze, den Schmerz von Indianern über<br />

die Kolonialisierung ihres Landes etc. erheben und dann durch Interpretation<br />

das finden wollen, was allen Aussagen gemeinsam ist, so<br />

müssten wir dabei zwangsläufig von jeder Einzelperson, jeder ethnischen<br />

Gruppe, jedem Körperteil, jeder speziellen Ursache usw. abstrahieren,<br />

denn in all diesen Punkten unterscheiden sich die Aussagen.<br />

Ob dabei eine andere Gemeinsamkeit als das bloße Wort ›Schmerz‹<br />

übrig bliebe, ist fraglich. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre das<br />

Überbleibsel doch so abstrakt, so weit vom ursprünglichen konkreten<br />

Datenmaterial entfernt und so sehr durch den Forscher interpretiert,<br />

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