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Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

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ausgetrunken. Das Geld legte er auf den Tisch. Dann half er ihr in den<br />

Mantel, schnappte sich den seinen und den Koffer und die Reisetasche.<br />

Und wieder kamen ihr die eigenen Schritte viel zu klein vor. Sie gingen<br />

zu Fuß. Nach einer dreiviertel Stunde erreichten sie das Zuhause<br />

von Tadeusz Jaworski. Elsa, Elsa, wir haben Besuch, rief der Fremde in<br />

der Eingangshalle seines Heims die Freitreppe hinauf.<br />

Elsa, eine etwas zu klein geratene Frau, dürr in ihrer Statur, die<br />

streng nach hinten frisierten Haare passten zu ihren bügelartig<br />

geformten Augenbrauen, schritt die Treppe herab auf Elisabeta zu. In<br />

der rechten Hand hielt die Frau eine Zigarettenspitze, aus deren Lauf<br />

eine geplättete Tabakrolle ragte, schon halb verzehrt von der Glut.<br />

Kleine Rauchzungen umgarnten die Hand mit den vielen Perlen, den<br />

roten, blauen und grünen Steinen dran. Wen haben wir denn da, fragte<br />

Elsa. Ihr Polnisch war von einem harten Akzent gefärbt. Sie können<br />

deutsch mit mir reden, antwortete Elisabeta, selbst überrascht davon,<br />

wie unartig das klang. Tadeusz, hörst du, die Kleine spricht deutsch,<br />

rief Elsa über das Mädchen hinweg in Richtung des Raums, in dem sie<br />

ihren Mann verschwinden sah. Wo hat mein Mann denn dich aufgegabelt?<br />

Aufgabeln verstand Elisabeta nicht, aber die Art der Fragestellung,<br />

die nach oben zu einem Dreieck gezogene Augenbraue ihres<br />

Gegenübers ließ sie ahnen, dass die Herrin des Hauses um Aufklärung<br />

bat. Doch nicht etwa schon wieder Verwandtschaft, rief die Frau ein<br />

wenig lallend durch die Halle. ›Nein, nein‹, zischte Tadeusz seiner Frau<br />

entgegen. Ich habe Elisabeta Galuszka am Bahnhof den Henkel ihres<br />

Koffers versehentlich abgerissen, sie weiß noch nicht wohin, da dachte<br />

ich an das Mansardenzimmer, erklärte der Hausherr. Vergiss die Koffer<br />

nicht, die stören, raunte die Herrin. Elsa nickte Elisabeta beiläufig zu<br />

und verschwand, den Kopf ein wenig zu weit in den Nacken gelegt.<br />

Tadeusz griff Elisabeta am Arm, um sie mit sich zu ziehen. Er drehte<br />

noch einmal um, das Gepäck zu holen und überholte sie, die hölzernen<br />

Stiegen heraufhüpfend.<br />

*<br />

Warum siehst du ihn nicht an, geiferte Else. Du wolltest die Vergangenheit<br />

ruhen lassen, antwortete Elses Putzfrau. Schon wieder<br />

besoffen, dachte sie sich. Ich kann nicht mehr mit ansehen, wie du<br />

durch ihn hindurchblickst, brabbelte stöhnend Else, Elisabetas Hand<br />

wirsch von ihrem Knie wischend. Elisabeta wollte sich gerade aufrichten.<br />

Bleib, forderte Else sie auf. Elisabeta blieb knien. Wir kennen uns<br />

jetzt dreißig Jahre, und jetzt ist..., setzte Else an, ohne den Satz zu vollenden.<br />

Ich weiß, unterbrach sie Elisabeta. <strong>Die</strong>ses ›ich weiß‹ ließ jede<br />

Vertrautheit beenden. Else strich sich die Haare mit angefeuchteten<br />

Handinnenflächen vom Scheitel zu den Haarspitzen hin glatt. Hol den<br />

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