24.12.2012 Aufrufe

Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

und seiner Selbst. Auf dem Weg zur Welt, zum Selbst sammelt sich das<br />

Bewusstsein von Körperlichkeit und Geistigkeit. Sie werden erfahren<br />

als Dimensionen von Möglichkeit und Gefährdung. Ihre Erfahrung<br />

bestimmt das Verhältnis von Lust und Schmerz, von Dehnen und<br />

Schützen. Mit dem Tier gemeinsam hat der Mensch die körperlichen<br />

Schmerzquellen, einige höherentwickelte Tiere teilen den menschlichen<br />

Schmerz des Verlustes, der Trauer, der Einsamkeit als Gefühlsregung<br />

auf unmittelbare Zustände. Physisch ursächlicher Schmerz<br />

durch Krankheit oder Verletzung und psychisch ursächlicher Schmerz<br />

im Angesicht des Gewärtigen nehmen ihren Ausgang vom objektiv<br />

begrenzbaren Zustand oder Ereignis. Neben der Dimension des<br />

Gewärtigen, also Wirklichen, wird dem Menschen die Sphäre des ungewärtig<br />

Möglichen und das Labyrinth des allgewärtig Persönlichen<br />

zum Ausgang psychischen Schmerzes. Subjektiv entgrenzte Zustände<br />

oder Ereignisse treten aus dem Möglichen und Persönlichen in die<br />

Wirklichkeit des Bewusstseins. Der Schmerzhorizont des Menschen<br />

wird durch das entgrenzende Bewusstsein über das Ort des Körpers<br />

und Augenblick des Unmittelbaren hinaus nach innen wie außen in<br />

den Raum und die Zeit hinein gedehnt . . .<br />

VI.<br />

Im Café. Besser als zuhause. Da flüstert laut das Schweigen. Hier lautet<br />

und rumort es, vom Schweigen nichts zu hören. <strong>Die</strong> Leute stören<br />

nicht, im Gegenteil. Geselliges Alleinsein, genau richtig dosiert. In Zugabteilen,<br />

bei Pech, wird man vom Redezwang umzingelt. Wenn Leute<br />

sich nicht beschäftigen oder das Nichtreden in Nähe von anderen<br />

nicht aushalten. Im Cafe kann man mittendrin ein Separee bauen.<br />

Meine gesammelten Papiere, einen Stapel leerer Blätter vor mir,<br />

Kaffee, Cognac, Stück Kuchen, Zigarette, ganz klassisch. Gibt zwei, drei<br />

Cafes, wo keiner, den ich kenne, verkehrt. Denkhalbinseln. Also, mal<br />

los jetzt – ›Was ist es, das in uns schmerzt?‹ Mich zum Beispiel, ja,<br />

warum nicht, Induktion, mich schmerzt, dass sie weg ist. Das schmerzt<br />

jeden, wenn die oder der weg ist, die oder den man liebt. Verlust<br />

schmerzt. Und Vorverlust, also etwas nicht zu bekommen, was man in<br />

Kopf oder Herz oder sonstwo schon für sich hat. Aber nur da. Kann genauso<br />

schmerzen wie Verlust von wirklich Gehabtem. Zurückweisung<br />

schmerzt. Niederlage, Verrat, Demütigung. Ob und was und wie es<br />

wen schmerzt, hängt von Spannweite und Empfindlichkeit des betroffenen<br />

Bewusstseins ab. Vom Schamgefühl und von der Eitelkeit zum<br />

Beispiel. Und ›Weltschmerz‹? Müsste eigentlich Selbstschmerz heißen.<br />

<strong>Die</strong> Weltschmerzler leiden an sich genauso wie an der Welt, sie leiden<br />

an sich in der Welt, halten selbst die Welt nicht aus. Spannweite riesig,<br />

161

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!