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Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

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II. Zugangsweisen zur Frage<br />

<strong>Die</strong> erste Zugangsweise, die hier betrachtet werden soll, ist die der<br />

quantitativ-empirischen Forschung. Wissenschaftler, die quantitativ<br />

vorgehen, spezifizieren zuerst auf Grundlage ihrer Theorien den Untersuchungsgegenstand,<br />

wählen dann angemessene Messinstrumente<br />

aus, um Eigenschaften des Untersuchungsgegenstandes in Zahlen<br />

abzubilden, wenden die Instrumente an und werten schließlich die so<br />

gewonnenen Daten aus. Der Nachweis des Vorliegens bzw. Nicht-Vorliegens<br />

quantitativer Regelmäßigkeiten im Datenmaterial dient anschließend<br />

dazu, schon vorhandene Theorien zu stützen oder zu falsifizieren<br />

und zur Aufstellung neuer Theorien anzuregen. 1 Quantitative<br />

Methoden werden in der Forschung vor allem dort eingesetzt, wo eng<br />

umgrenzte, klar definierbare Konstrukte untersucht werden, die jeweils<br />

so einfach bzw. homogen sind, dass sich wichtige Eigenschaften<br />

von ihnen durch Zahlen ausdrücken lassen.<br />

<strong>Die</strong>s ist bei der Frage ›Was ist es, das in uns schmerzt?‹ jedoch<br />

nicht der Fall. Sie fragt nicht nach einem ›wie viel‹, sondern nach<br />

einem ›was‹. Zudem ist der Forschungsgegenstand, ›was in uns<br />

schmerzt‹, nur sehr vage angegeben. Wie jeder weiß, der von Partnerin<br />

oder Partner schon einmal kräftig in das Ohrläppchen gebissen wurde<br />

oder der bei einem Rockkonzert in der Nähe der Lautsprecherboxen<br />

stand, gehen angenehme Empfindungen und Schmerzen fließend<br />

ineinander über. <strong>Die</strong> Grenzen dessen, was als Schmerz empfunden<br />

wird, sind für verschiedene Personen unterschiedlich und variieren<br />

sogar für dieselbe Person je nach Kontext. Sie hängen neben rein körperlichen<br />

Faktoren auch von den jeweils aktuellen Gedanken, Gefühlen<br />

und Absichten eines Menschen ab, 2 von einigen seiner Persönlichkeitseigenschaften,<br />

3 seinen Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen<br />

in Bezug auf den Schmerz, 4 von seiner sozialen Umwelt 5 und sogar von<br />

dem historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmen, in dem<br />

das jeweilige Schmerzerleben stattfindet. 6 Bezieht man die womöglich<br />

noch diffuseren seelischen Schmerzen mit in die Überlegungen ein,<br />

wird offensichtlich, dass unser potenzieller Untersuchungsgegenstand<br />

so inhomogen, komplex zusammengesetzt und dynamisch sich verändernd<br />

ist, dass die Idee, man könnte allgemein gültige quantitative<br />

Aussagen über ihn als Ganzes treffen und diese durch eine Untersuchung<br />

belegen, mehr als naiv erscheint. Welchen Sinn sollte es haben,<br />

Schmerz über den Verlust des Arbeitsplatzes und den durch Warzen<br />

am Fuß verursachten Schmerz gleichzeitig zu untersuchen und nach<br />

beiden gemeinsamen Regelmäßigkeiten oder Ursprüngen zu suchen? –<br />

Das Vorgehen, das vernünftigerweise in der quantitativ-empirischen<br />

Schmerzforschung – und allen anderen quantitativ-empirischen Forschungsfeldern<br />

– stattdessen gewählt wurde, ist, den Bereich der zu<br />

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