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Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

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Dann wurden wir auf Lastwagen verladen.<br />

Einmal pro Woche war plötzlich Aufregung im ›Base Camp‹. Neue<br />

Flüchtlinge wurden von der Notunterkunft in Koboko gemeldet. Sie<br />

waren müde, ausgehungert, manche krank. <strong>Die</strong> ugandischen Beamten<br />

bestanden darauf, sofort die Regeln klar zu machen: Man hat sich anzustellen<br />

um auf seine zwei Kilo Bohnen, die Ration für zwei Monate,<br />

und einen leeren Plastikkanister, zum pumpen an den Wasserstellen,<br />

zu warten. Weil die Frauen im Lager vor Durst die ganze Nacht warteten<br />

um an der Reihe zu sein, hatte es Vergewaltigungen gegeben. Jetzt,<br />

als man die Brunnen während der Trockenzeit aus ›Sicherheitsgründen‹<br />

schloss, gab es blutige Auseinandersetzungen um das wenige<br />

Nass. Beides sehen die Verwalter in den mächtigen Glaspalästen von<br />

Genf und New York nicht gerne. In einem Lager mit 15.000 Menschen<br />

muss Ordnung herrschen.<br />

Auf dem letzten Stück Fahrtweg denke ich an die kargen Worte, die<br />

Agnes’ Lebensgeschichte vor einem Jahr beschlossen hatten:<br />

Nach all dem was wir erlebt haben, bekam mein Mann Bluthochdruck.<br />

Obwohl er so mager war, hatte er immer einen roten Kopf. <strong>Die</strong>ses<br />

Jahr im Juni starb er an einem Schlaganfall. Eines Abends sagte er: ›Oh,<br />

mein Kopf‹, dann wurde er bewusstlos. Sein Verstand kam nicht zurück.<br />

Er starb nach sieben Tagen.<br />

Sorgen sind seither in meinem Körper zuhause, ich spüre sie immer.<br />

Wenn mein Herz nicht so stark wäre, müsste ich wohl immerzu betrübt<br />

gewesen sein. Er war so ein guter Mann . . . Er hatte überlebt und dann,<br />

als wir in Sicherheit waren, konnte sein Geist das Leid nicht mehr tragen.<br />

<strong>Die</strong> spärlichen Lichter von Gulu, Menschen und Tiere auf der<br />

nächtlichen Straße. Endlich hat die Strecke der Angst ein Ende gefunden.<br />

Wir alle sind erleichtert, spülen mit Nil-Bier den Staub aus dem<br />

Kopf, gehen früh zu Bett. Am nächsten Morgen erfahren wir, dass ein<br />

Auto mit fünf Missionaren auf unserer Straße überfallen worden war.<br />

Fünf Kopfschüsse.<br />

<strong>Die</strong> nächsten Tage machen wir uns auf, die versprengten Patienten<br />

zu suchen, diejenigen, die nicht mehr im Flüchtlingslager zu finden<br />

gewesen waren.<br />

Keiner aus unserem Team durfte Überlebende untersuchen, die sie<br />

oder er selbst behandelt hatte. Wir sollten blind sein für die therapeutischen<br />

Bedingungen. T. ging aus, Agnes zu finden. Er wusste nicht,<br />

wer sie ein Jahr zuvor therapiert hatte und welche Behandlung sie bekommen<br />

hatte. Nervös wartete ich im Schatten. Andere Teammitglieder<br />

sangen Lieder mit den Kindern, die anschwärmten, wie von süßem<br />

Geruch gelockt.<br />

Wir hatten eine Lagebesprechung gehabt einige Tage zuvor. <strong>Die</strong><br />

unbehandelten Patienten waren schon untersucht und eine zweite<br />

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