Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie
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Menschen unwiderruflich in das Gefängnis der absurden Freiheit<br />
gesperrt und sich selbst, aller göttlichen Handlungsmacht beraubt,<br />
unwiderruflich in die göttlich absurde Unfreiheit gestürzt hat. Er war<br />
ein Gott! <strong>Die</strong> Freiheit, die er entfesselte, hat ihn vernichtet, wie sie alle<br />
Götter vernichtet. Erschüttert sitzt er da und denkt nach dem Sinn,<br />
den er nicht findet. Aber sein Schmerz ist unendlich wie es einem Gott<br />
gebührt, und wir können uns Prometheus nicht als einen glücklichen<br />
Gott vorstellen, denn ihm, dem gewesenen Gott, ist der existenzielle<br />
Weg des Sisyphos verwehrt, im höchstmöglichen Bewusstsein der<br />
Absurdität seines Schicksals, die Freiheit der paradoxen Revolte gegen<br />
ein Los zu erfüllen, das er sich nicht selbst gegeben hat . . .<br />
IV.<br />
Fahre Metro, kreuz, quer. Ein Fahrschein, keine Grenzen. So einfach<br />
kann es sein. Ist bei uns anders. Tausend Tarife, U-Bahnfahren so kompliziert<br />
wie die Welt. Das Denken lässt jede Möglichkeit zu. Hier unten<br />
drängt Paris sich nicht so auf. Trotzdem auch hier alles sehr existenzialistisch,<br />
französisch, pariserisch. Gesichter, Gesten, das sichtbar<br />
Unsichtbare. Schade, dass er nicht Metro fahren kann, der Denker.<br />
Tausende Welten um mich. Keine Aussichten, nur die anderen. Oder<br />
das Wegsehen, das Vor-Sich-Hin-, das In-Sich-Sehen. Oder Lesen, Blättern.<br />
Konzentriert oder nur, den anderen Blicken zu entkommen. Weil<br />
man sich nackt fühlt, preisgegeben. Tausende Welten kreuzen sich<br />
hier. Auch Schmerz. Unsichtbar hinter den Gesichtern. Manchmal irrtumsanfällig<br />
zu ahnen. An den Bewegungen, Augen, Haltungen entlang.<br />
Vielleicht auch nichts dahinter. <strong>Die</strong> Leute sind nur unterwegs.<br />
Zwischen dem schnellen Woher und Wohin einfach nur da. Für ein<br />
paar Weilen bewusstlos dahindämmern. Auf einem Sitz ein schmales<br />
Heftchen gefunden. Alt und abgegriffen. Sauber übertragene Hölderlin-<br />
Schriften, Französisch. Hölderlin wusste, was Schmerz ist, Menschenschmerz<br />
...<br />
4. Ein angebliches Hölderlin-Fragment (ohne Titel, Rückübersetzung)<br />
Über unsrer Leiber Hüllen weit greift er hinaus und flieht hinein<br />
Der uns zugehauchte Geist in fernste Sphären dieses Seins<br />
Und trägt gefährlich nah heran, was er von weit, so weit erspäht.<br />
Er ist wie den Alten es der kühne Schiffer einstmal war,<br />
<strong>Die</strong> Grenzen im Wind dahin, wo Nichts gedacht, duchstechend,<br />
Zu Gestaden jenseits aller Götter Willen Weg und Mittel fand.<br />
Aber wie der Leib im Raume sich Erfahrung schon erschmerzt,<br />
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