24.12.2012 Aufrufe

Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

Preisfrage 2001 - Die Junge Akademie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

überhaupt diese einzelnen Schmerztypen als Typen für uns alle gibt.<br />

Das scheint nicht von vornherein klar zu sein. Denn dazu müssten sie<br />

intersubjektive Vorkommnisse sein. Sind sie das aber? Und: Ist es mir<br />

schon alleine überhaupt möglich, meine Schmerzvorkommnisse zu<br />

sortieren und in Klassen zu ordnen? Wie spreche ich denn von meinen<br />

Schmerzen?<br />

(a) ›Ich habe Kopfschmerzen‹, ›Mein Kopf schmerzt‹; (b) ›Ich habe<br />

Magenschmerzen‹; (c) ›Ich habe Liebesschmerz‹. <strong>Die</strong> Schmerzen, die<br />

ich damit zum Ausdruck bringe, haben folgende Eigenschaften: 1. Sie<br />

sind jemandes Schmerzen (sie existieren nicht ohne einen Träger, der<br />

sie hat, d.h. sie sind subjektgebunden), 2. sie sind meine Schmerzen,<br />

nicht deine oder jemand anderes Schmerzen, 3. sie existieren zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt, zu dem auch ich existiere oder existiert habe<br />

(d. h. sie sind zeitgebunden), 3. sie haben eine bestimmte Qualität und<br />

Intensität (d. h. sie sind Kopf- oder Magen- oder Liebes- oder Weltschmerzen,<br />

aber nicht nur einfach Schmerz, der sich nicht von anderem<br />

Schmerz unterscheiden ließe). Genau genommen müsste man<br />

deshalb eigentlich immer, wenn man Schmerzen hat, Folgendes sagen:<br />

(a) (<strong>Die</strong>s ist) mein Kopfschmerz, den ich jetzt habe, (b) (<strong>Die</strong>s ist) mein<br />

Magenschmerz, den ich jetzt habe, (c) (<strong>Die</strong>s ist) mein Liebesschmerz,<br />

den ich jetzt habe.<br />

Schmerzen scheinen also absolut individuelle Vorkommnisse zu<br />

sein, die einer Typenbildung nicht zugänglich sind. Außerdem ist auch<br />

die verfeinerte Rede von meinen Schmerzen noch zu ungenau. ›(<strong>Die</strong>s<br />

ist) mein Kopfschmerz, den ich jetzt habe‹ bezeichnet nicht immer<br />

dasselbe. Genauer sollte ich sagen: (a.1) ›Mein starker Migräne-Kopfschmerz,<br />

den ich jetzt habe‹ oder (a.2) ›Mein leichter Übermüdungskopfschmerz,<br />

den ich jetzt habe‹. Nun handelt es sich hierbei um auf<br />

mich relativierte Schmerzen (das deuten die Possessivpronomina an),<br />

gleichwohl haben wir es aber doch nicht mit individuellen Instanzen,<br />

sondern mit Typen zu tun. Denn es ist in der Regel so, dass immer<br />

dann, wenn ich Kopfschmerzen habe, sie scheinbar im Kopf sind,<br />

Migräne-Kopfschmerzen immer in der rechten Kopfhälfte, Übermüdungskopfschmerzen<br />

immer vorne in der Stirn. Meine einzelnen<br />

Kopfschmerzvorkommnisse ähneln sich in einer Hinsicht und unterscheiden<br />

sich gleichzeitig auch hinreichend genug in anderen Hinsichten.<br />

Deshalb kann ich bestimmte Schmerztypen, die einzelne Schmerzinstanzen<br />

umfassen, von anderen Schmerztypen, die andere Schmerzinstanzen<br />

umfassen, unterscheiden. (Es bleibt allerdings die offene<br />

Frage, wie man die einzelnen Instanzen, die ja räumlich und zeitlich<br />

indiziert sind, überhaupt miteinander vergleichen kann. Frege hat es<br />

auf den Punkt gebracht: Entweder sind zwei Dinge x und y vollkommen<br />

ähnlich. Dann kann ich sie auch vergleichen. Oder sie sind in<br />

mindestens einer Hinsicht verschieden. Dann ist es unmöglich, sie zu<br />

57

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!