Militärakademie "Friedrich Engels" - DSS
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Am 5. Oktober 1989 wurde der <strong>Militärakademie</strong> vom Minister für Nationale<br />
Verteidigung befohlen, drei Hundertschaften aus Offiziershörern<br />
und Lehroffizieren bereitzustellen, die der Volkspolizei zur Beherrschung<br />
der Situation notfalls als Reserve zur Verfügung stehen sollten. Die<br />
Offiziershundertschaften kamen in den bezogenen Reserveräumen aber<br />
nicht mit den Demonstranten unmittelbar in Berührung.<br />
Bei den Massendemonstrationen in Dresden für eine grundlegende<br />
demokratische Erneuerung der DDR vermittelten Vertreter von Kirchen<br />
eine friedliche Konfliktlösung. Bürgerbewegung und Oberbürgermeister<br />
vereinbarten in öffentlichen Dialogen am 8./9. Oktober 1989 Gewaltfreiheit<br />
und eine freiwillige Sicherheitspartnerschaft.<br />
Darin war auch die <strong>Militärakademie</strong> einbezogen. Ohne voraussehen zu<br />
können, welchen Verlauf die friedlichen Demonstrationen im Oktober<br />
1989 nehmen würden, und ohne zu erkennen, dass sie das Ende der<br />
DDR einleiteten, nahm die Volksbewegung zunehmenden Einfluss auf<br />
die Aktivitäten an der <strong>Militärakademie</strong>.<br />
Dank einer Reihe besonnener und couragierter Offiziere stand die<br />
höchste Lehreinrichtung der NVA der entstandenen Situation nicht<br />
tatenlos gegenüber, sondern begann angesichts der Ratlosigkeit und<br />
Handlungsunfähigkeit des Ministeriums für Nationale Verteidigung eigenverantwortlich<br />
zu handeln.<br />
Am 18. Oktober 1989 kündigten Lehrstuhlleiter der Sektion Gesellschaftswissenschaften<br />
in der Dienstbesprechung des Kommandeurs die<br />
bedingungslose Unterordnung unter die offizielle politische Linie auf und<br />
erklärten, ihre abweichende Meinung offen an der Akademie und in der<br />
Öffentlichkeit zu vertreten. Dazu wurde bis Ende des Monats ein<br />
Positionspapier der berufenen Hochschullehrer der Sektion verfasst und<br />
in der Sächsischen Zeitung vom 8. November 1989 veröffentlicht.<br />
Eine Außerordentliche Tagung des Wissenschaftlichen Rates der <strong>Militärakademie</strong><br />
am 4. November 1989, die von Generalmajor Prof. Dr. Rolf<br />
Lehmann durchgesetzt worden war, um den berufenen Hochschullehrern<br />
in der prekären politischen Situation eine Stimme zu geben, wurde zum<br />
Forum und zur treibenden Kraft für die politische Neuorientierung der<br />
<strong>Militärakademie</strong>.<br />
Die in der Diskussion vorgetragenen Gedanken zur Reformierung der<br />
Streitkräfte und der <strong>Militärakademie</strong> sowie die Idee und der Aufruf zu<br />
einer Militärreform wurden vom Forum akzeptiert. Diese neuen Gedankengänge<br />
im Rat stießen in anderen Bereichen der <strong>Militärakademie</strong> auf<br />
breite Zustimmung. Von ihnen ging das Signal für eine demokratische<br />
Armeereform aus.<br />
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