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А. Монастырский, Н. Панитков, И. Макаревич, Е. Елагина, С ...

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auf alte Ritualkulturen, in denen durch das Verfahren der Wiederholung die Selbstbestätigung einer<br />

Gemeinschaft vollzogen wird, wobei dies mit dem Gefühl einer Befriedigung durch das<br />

Wiedererkennen von etwas Erwartetem verbunden ist. Wenn wir aber andererseits die Traditionen<br />

von Poesie und Musik betrachten, so bestätigen Wiederholungen und Variationen keinesfalls nur das<br />

Erwartete, sie schaffen vielmehr eine neue ästhetische Sensibilität für minimale Veränderungen, für<br />

kaum merkliche Nuancen im Prozess der Formbildung. Wie etwas wiederholt wird, ist wichtiger als<br />

das, was wiederholt wird. Durch das serielle System der KA, durch seine prinzipiell unendliche<br />

Textualität werden aber auch immer wieder neue Handlungen und eine neue Ereignishaftigkeit<br />

generiert. Wie würdest Du das Verhältnis zwischen der Textmaschine der KA und der unmittelbaren<br />

Wahrnehmung von Ereignishaftigkeit während der Performances beschreiben<br />

A.M.: Das ist eine wichtige Frage. Der Text generiert die Ereignishaftigkeit. Zu Beginn der Serie<br />

wird die Ereignishaftigkeit durch einen „versteckten―, „fremden― Text generiert (diese expliziten<br />

oder impliziten Nachahmungen stützen sich darauf, dass jegliche ästhetische Ereignishaftigkeit aus<br />

einem Text hervorgeht). Während der weiteren Entwicklung der Serie – und im Fall der langjährigen<br />

Tätigkeit der KA haben wir es mit einer recht tiefgreifenden Entwicklung zu tun – bildet sich dann<br />

ein „schmaler― Weg, ein Pfad heraus (im Unterschied zu den anfänglichen, kaum erkennbaren, nicht<br />

deutlich begrenzten Feldwegen). Die ästhetischen Platzierungen neuer Artikulationen schließen an<br />

diejenigen an, die ihnen vorausgehen. Gewissermaßen vom Feld zum Pfad. Die ersten Losungen<br />

haben wir an Orten auf offenen Feldern realisiert, die beiden letzten auf einem Fußweg in einer<br />

ziemlich schmalen Waldschneise. Im ersten Fall haben wir es mit dem Raum und mit Horizonten zu<br />

tun, im zweiten Fall mit dem Ort und mit Vertikalen (Wald). Die „Feld―losungen mit ästhetisch<br />

unbestimmten „Rändern― treten in ein intensives Wechselverhältnis mit den äußeren Kontexten und<br />

lösen sich sogar darin auf („Streifen der Ununterscheidbarkeit―), die „Pfad―losungen dagegen haben<br />

ihr eigenes festes ästhetisches Gestell, sie sind von den äußeren Kontexten u.a. durch ihre Historizität<br />

abgetrennt: das Porträt Heideggers, das Diamant-Sutra (anstelle der „Aktualität― der Finanztafel oder<br />

der existentiellen Situation des „Hier und Jetzt―). Vom Expositionsstandpunkt aus sind die frühen<br />

Losungen sekundär (Postmodernismus), die späteren Losungen jedoch primär (Modernismus). Die<br />

frühen Losungen sind in einer „Hintergrunds―ästhetik realisiert. Sie sind instrumentell und dienen in<br />

einem gewissen Sinn lediglich als Vorwand zur Wahrnehmung und Kontemplation der umgebenden<br />

äußeren Welt (Kontexte). Andererseits sind sie mit einer stark kritischen Einstellung gegenüber den<br />

ideologischen Schichten der Kontexte aufgeladen. Die letzten Losungen sind selbstgenügsam, sie<br />

bieten sich selbst zur Wahrnehmung und Kontemplation an und sind in diesem Sinne künstlerisch<br />

„auffälliger―. Die Textmaschine führt meiner Meinung nach von der Unmittelbarkeit fort und schafft<br />

letztlich ihre eigenen Welten.<br />

S.H.: Bei der vorletzten Losungsaktion „Losung 2003― wurde zwischen den Bäumen anstelle des<br />

Texts ein Porträt des deutschen Philosophen Martin Heidegger aufgehängt. Wie lässt sich diese<br />

Geste verstehen Handelt es sich hier um eine direkte programmatische Aussage, d. h. um einen<br />

Hinweis auf eine bestimmte philosophische Tradition, innerhalb derer sich die „Kollektiven<br />

Aktionen― verorten Oder wird durch das merkwürdige Verfahren der Verkleinerung des Porträts<br />

eine eher ambivalente Haltung gegenüber dieser Tradition zum Ausdruck gebracht Es geht hier um<br />

das Selbstverständnis der KA, die in ihren Performances nicht nur die Aufmerksamkeit der<br />

Zuschauer vom Text auf die Situation umlenken, sondern diese Situation wiederum zum Anlass für<br />

weitere Reflexionen nehmen. Das direkte Erleben des „Hier und Jetzt― wird so auf ein allgemeines<br />

System philosophischer Begriffe bezogen. Eine entscheidende Bedeutung für die Tätigkeit der KA<br />

kommt der künstlerischen Erforschung von Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozessen zu. In dieser<br />

Hinsicht ließe sich fragen, warum nicht ein Porträt Immanuel Kants aufgehängt wurde Vielleicht<br />

hat dies damit zu tun, dass im Falle Heideggers die Bezugnahme auf die philosophische Tradition ein<br />

provokatives Potential in sich birgt Während im rationalen System Kants das subjektive Vermögen<br />

von Wahrnehmung und Erkenntnis im Zentrum steht, treffen wir bei Heidegger auf ein komplexeres<br />

Verhältnis von Subjekt und Objekt, die in ihrem Wechselverhältnis die Struktur der ästhetischen<br />

Erfahrung herausbilden. Subjekt und Objekt können dabei prinzipiell die Plätze tauschen. Die<br />

eigentliche Provokation besteht aber wohl darin, dass das verwendete Porträt Heideggers mit dem<br />

Eichenlaub als Verzierung auf seiner Trachtenjacke die Realisierung der philosophischen Praxis im<br />

politischen Kontext der faschistischen Ideologie thematisiert. Bevor wir ausführlicher über die

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