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А. Монастырский, Н. Панитков, И. Макаревич, Е. Елагина, С ...

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Verbindungen zwischen philosophisch-ästhetischen und politischen Kontexten sprechen, möchte ich<br />

zunächst auf den Gebrauch der Begriffe Raum und Ort bei Heidegger eingehen.<br />

Für die Aktionskunst ist wohl wesentlich, dass bei Heidegger – als Gegengewicht zum abstrakten<br />

mathematischen Raum – ein phänomenologisches Verständnis des Raums entwickelt wird. Die<br />

Installation der Dinge schafft im situativen Zusammenhang eine ästhetische Erfahrung des Orts, die<br />

allerdings durch einen nicht aufzulösenden Widerspruch gekennzeichnet ist. Einerseits bezeichnen<br />

bei Heidegger „Erde― und „Heimat― einen Ort, der als Grundlage für die Existenz eines Volkes dient<br />

– eine Vorstellung, die auch für die faschistische Ideologie von Relevanz war. Andererseits werden<br />

die Dinge – wenn wir den Überlegungen Heideggers folgen – in der Installation nicht als solche<br />

wahrgenommen (wie bei Kant), sondern in der ästhetischen Erfahrung des Orts eröffnet sich durch<br />

sie hindurch eine dynamische Perspektive, ein anderer, neuer Blick auf die umgebende Welt.<br />

A.M.: Kant haben wir tatsächlich in Form eines ungewöhnlich großen (dicken) Buchs in der Aktion<br />

„625-520― verwendet, d. h. in der ersten Aktion des Waldzyklus, dessen letzte Aktion die „Losung<br />

2003― mit dem ungewöhnlich kleinen Porträt Heideggers war. In beiden Fällen ist die Verzerrung<br />

und Hypertrophierung der Ausmaße interessant, nicht nur als stilistisches Merkmal des<br />

Romantizismus, sondern auch als Pathologie des Diskurses, worauf die plastische Anormalität<br />

verweist. Wir haben es hier mit einer Diagnose der KA zu tun: textuelle Aufgeblähtheit bei<br />

gleichzeitiger visueller Unzulänglichkeit und Armseligkeit des Designs. Diese Diagnose lässt sich<br />

jedoch gleichermaßen auf die russische logozentrische Mentalität beziehen. Eine maniakalische<br />

Unterordnung unter den Logozentrismus (und dies möchte ich betonen, indem ich den Diskurs der<br />

KA fortführe und ihn dem westlichen Anthropozentrismus gegenüberstelle) bildet in Russland die<br />

„philosophische― Begründung für eine vollkommene Missachtung der menschlichen Persönlichkeit<br />

während aller Etappen seiner Geschichte, einschließlich der Gegenwart. Der Mensch ist in Russland<br />

(und in der Ästhetik der KA – was ich zu meinem aufrichtigen Bedauern und zu meiner Schande<br />

eingestehen muss) lediglich ein abstraktes Strukturelement, das irgendwo an den „Rändern―<br />

herumhängt, ein Instrument zu einer vorgeblich „wissenschaftlichen― Erforschung von etwas<br />

„Allgemeinen―, des „Ganzen― usw. Deshalb ist das menschliche Leben hier auch im Wesentlichen<br />

nichts wert.<br />

Ich möchte nun noch einmal auf das Porträt Heideggers in der Aktion „Losung 2003―<br />

zurückkommen und die strukturelle Gemeinsamkeit zwischen der „Aktion mit der Uhr― und dieser<br />

Losung betrachten. Durch den Wald wurde vom Kassettenrecorder der „Aktion mit der Uhr― ein<br />

Faden zu Heideggers Porträt gespannt. Vom Kassettenrecorder waren Berichte sowjetischer<br />

Polarforscher der 1930er Jahre zu hören, die in Heideggers Text zur Ausdehnung übergingen. Hier<br />

haben wir es mit verschiedenen Seiten einer zeitlichen und totalitären Gemeinsamkeit im Vergleich<br />

der sowjetischen Polarforscher mit Heidegger zu tun. Heidegger geht gewissermaßen aus diesen<br />

Polarforschern hervor, wie die russische Literatur aus Gogol‘s Mantel, auch wenn die Struktur dieser<br />

Wechselbeziehungen insgesamt komplizierter ist. Aber dieser Aspekt ist auch da. Eine überspitzte<br />

Haltung gegenüber dem Existentialismus führt zum Totalitarismus. Polarforscher und Einsiedler sind<br />

einander sehr ähnlich. Die sowjetischen Polarforscher sind staatliche Einsiedler und stellen eine<br />

interessante staatliche Form des Existentialismus dar. Die Polarforscher sind irgendwie sehr religiös<br />

und asketisch. Und Heidegger ist dies ebenfalls. Aufgrund seines religiösen Wesens steht ihm auch<br />

das „Porträt― („Ikone―) (Losung 2003) und die „Rede― („Predigt―) (Aktion mit der Uhr) zu. Kant ist<br />

in diesem Sinne eine Heidegger geradezu entgegengesetzte, kritische Figur, deshalb wurde ihm auch<br />

ein „Buch― (625-520) zugeordnet, das allerdings zu anormaler Größe aufgebläht war, wahrscheinlich<br />

weil darin seine frühen vorkritischen Schriften veröffentlicht waren. Was die KA betrifft, so scheint<br />

mir, dass wir in eine postkritische Periode eingetreten sind, insbesondere in der letzten Aktion<br />

„Losung 2005―. Und hier ist es wichtig, die Ironie nicht zu verlieren, damit es nicht zu einer neuen<br />

maniakalischen Haltung kommt.<br />

S.H.: Zum Abschluss sollten wir uns noch einmal der letzten Aktion „Losung 2005― zuwenden. Im<br />

Unterschied zu den anderen Losungen der KA wurde der „Losungscharakter― hier zum ersten Mal –<br />

wenn ich mich nicht irre – in die auditive Sphäre überführt. Die Anfangsetappe der Aktion bestand in<br />

dem Anhören einer Lesung des Diamant-Sutra von einem Kassettenrecorder, der an einem Baum<br />

aufgehängt war. Das Verfahren des Hörens einer unsichtbaren Stimme erinnert an die Form alter<br />

religiöser Kulte, bei denen die Sphäre der Unsichtbarkeit mit einem transzendenten Mysterium<br />

assoziiert wird. Diese Tradition bildet den Hintergrund für die Losung. Andererseits entstand aber

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