Beziehungsweise(n) - SSOAR
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3 Individualisierung und Pluralisierung<br />
Der in der soziologischen Gegenwartsdiagnostik vielfach beschriebene<br />
postmoderne Individualisierungsschub zeigt sich auch im Bereich<br />
der Familie. Mit unterschiedlichen Problemlagen und möglichen<br />
Trends in Partnerschaften haben sich unter anderen Ulrich Beck und<br />
Elisabeth Beck-Gernsheim in ihrem Buch „Das ganz normale Chaos<br />
der Liebe“ auseinandergesetzt. „Liebe wird nötig wie nie zuvor und<br />
unmöglich gleichermaßen.“ 9 Denn eine Vielzahl an als Nebenfolgen<br />
der Ersten Moderne charakterisierten Veränderungen 10 – beispielsweise<br />
die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie oder jener zwischen<br />
Partnerschaft und Freiheit – macht es für Individuen schwierig,<br />
Beziehungen aufrecht zu erhalten. Menschen in westlichen Industrienationen<br />
finden sich immer weniger in sogenannten Wir-<br />
Beziehungen, wie dies in traditionellen familiären Bindungen der Fall<br />
ist, wieder, sondern immer stärker in Ich-Beziehungen. Wir sprechen<br />
in diesem Kontext, so Beck, von einem „Griff nach den Sternen des<br />
Ichs.“ 11<br />
Die Pluralisierung der Lebensformen ist nicht automatisch mit<br />
einem Verlust an Gemeinschaft gleichzusetzen und mit wachsender<br />
Isolation einhergehend. Vielmehr haben sich neue Formen der Gemeinschaftsbildung<br />
entwickelt. Seit den 1980er Jahren haben, so<br />
Beck-Gernsheim, die haushaltsübergreifenden Hilfebeziehungen –<br />
die gegenseitige Unterstützung bei persönlichen Problemen oder<br />
praktische Hilfeleistungen zwischen Freunden – deutlich zugenommen,<br />
wobei Gemeinschaftsbildung immer mehr zu einer individuell<br />
zu erbringenden Leistung geworden sei. Die Österreichische Wertestudie<br />
(1990-2000) zeigt, dass die Bedeutung von Freunden in allen<br />
Alterskohorten zugenommen hat. Die größte Vereinzelungsgefahr<br />
bestehe bei der künftig noch anwachsenden Gruppe der älteren<br />
Ledigen, der kinderlos gebliebenen Paare und der Verwitweten. 12<br />
Das Fehlen klarer gesellschaftlicher Normen und die zunehmende<br />
Wahlfreiheit der Individuen machen es möglich, dass Personen<br />
zwischen unterschiedlichen Lebensformen wechseln können.<br />
Der „(…) Lebenslauf steht immer weniger ein für alle Mal fest. Immer<br />
häufiger muß man neue Anfänge machen, neue Entscheidungen<br />
fällen.“ 13 Was wir laut Beck-Gernsheim vorfinden, sind neue Beziehungsmuster<br />
wie „Lebensgemeinschaften“, „Kleinfamilien“ oder<br />
9 Beck, U. /Beck-Gernsheim, E. (1990), S .9.<br />
10 Beck, U. /Beck-Gernsheim, E. (1990), S. 17.<br />
11 Beck, U. /Beck-Gernsheim, E. (1990), S. 11.<br />
12 Vgl. Denz, H. / Friesl, C. /Polak, R. /, Zuba, R. /Zulehner P.M. (2001).<br />
13 Beck-Gernsheim, E. (2000), S. 20.<br />
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