Beziehungsweise(n) - SSOAR
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Drei Jahre Beziehung, danach die Gründung eines gemeinsamen<br />
Haushaltes, Heirat und kurze Zeit später ihr erstes Kind. Auch das<br />
lesbische Paar Andrea und Claudia haben sich ihrem Traum eines<br />
eigenen Hauses erfüllt und lebt auf 370 m² zusammen. Beim schwulen<br />
Paar Günter und Martin herrscht eine Sondersituation des Zusammenlebens<br />
vor, bei der es schwer fiel, sie einzuordnen. Beide<br />
Männer leben in eigenen Wohnungen, diese befinden sich aber in<br />
einem Haus und sind durch einen Balkon verbunden.<br />
Es zeigt sich, dass es im Hinblick auf Institutionalisierungsprozesse<br />
Unterschiede zwischen Hetero- und Homosexuellen gibt. Wie<br />
bereits erwähnt, spielt Individualität eine stärkere Rolle im Leben<br />
homosexueller Menschen, als dies bei heterosexuellen Individuen<br />
der Fall ist. Beim lesbischen Pärchen Andrea und Claudia zeigt sich<br />
dies darin, dass es für beide Frauen eine eigene Ebene bzw. einen<br />
eigenen Stock gibt, um sich zurückziehen zu können. Für Andrea<br />
sind ihre eigenen 60 m² mit eigenem Eingang und eigener Küche ein<br />
Therapieraum für sich selbst. Auch für Julia, die 17 Jahre lang in<br />
Wien lebte, war es eine große, aber bewusste Entscheidung, in das<br />
Haus ihrer Freundin und deren Kinder einzuziehen. Nach mittlerweile<br />
14 Jahren im gemeinsamen Haus haben Julia und Grete sich dazu<br />
entschlossen, eine kleine Wohnung in der Grazer Innenstadt zu kaufen,<br />
um dort die Wintermonate zu verbringen und somit Abwechslung<br />
in ihr Leben zu bringen.<br />
Sowohl beim Pärchen Andrea und Claudia als auch bei Julia<br />
und ihrer Lebensgefährtin zeigt sich, dass persönliche Freiheit und<br />
Individualität wichtige Eckpfeiler ihrer Beziehung sind. Somit stützt<br />
sich die Paaridentität nicht auf die einmal erreichte Verfestigung der<br />
Beziehung, sondern auf die fortwährende interaktive Erzeugung der<br />
Exklusivität der Beziehung. Trotz der Wichtigkeit sich zurückzuziehen<br />
zu können, wird die besondere Bedeutung des Zusammenlebens<br />
hervorgehoben. Das Haus ist nicht nur ein Ort, der Schutz und<br />
Unterkunft bietet, sondern auch ein Platz, an dem sie gemeinsam<br />
leben können. Das gemeinsame Wohnen stellt eine große Wichtigkeit<br />
in ihrem gemeinsamen Leben dar und wird nicht als einmal getroffener<br />
Entschluss aufgefasst, sondern eher als eine gemeinsame<br />
Lebensaufgabe, die man zu zweit gestaltet. Das Zusammenwohnen<br />
wird jedoch immer wieder hinterfragt, und alternative Möglichkeiten<br />
des Zusammenlebens werden in Betracht gezogen.<br />
Die Wahrung der individuellen Autonomie spielt – wie schon bei<br />
den gerade beschriebenen lesbischen Paaren – auch beim schwulen<br />
Paar Martin und Günter eine große Rolle. Beide Partner wohnen<br />
nebeneinander, aber in getrennten Wohnungen. Schon in ihrer Vergangenheit<br />
lebten Martin und Günter zehn Jahre lang in getrennten<br />
Wohnungen, welche sich aber in einem Haus auf einer Etage befan-<br />
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