Beziehungsweise(n) - SSOAR
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Sexualität und bringt neue Sexualfragmente hervor, die bisher unbekannt<br />
waren oder überhaupt nicht existierten. Alles in allem musste<br />
die Kulturform Sexualität an symbolischer Bedeutung einbüßen.<br />
Gegenwärtig wird Sexualität als allgemeine Selbstverständlichkeit<br />
wie Bildung oder Selbstverwirklichung angesehen. Die positiven<br />
Mystifizierungen der alten Sexualität, welche mit Rausch, Ekstase<br />
oder Transgression gleichgesetzt wurden, werden heute einerseits<br />
durch negative Zuschreibungen wie Geschlechterdifferenzen, Missbrauch<br />
oder tödliche Infektion ersetzt. Andererseits ist das Streben<br />
nach sexueller Erfüllung und Ekstase wie das Ausleben ‚sexueller<br />
Kicks’ ebenfalls ein Trend, der beobachtbar ist. 45<br />
4.3.2. Sex, Erotik und Liebe<br />
Sex, Erotik und Liebe sind fest miteinander verbunden und können<br />
doch auch getrennt betrachtet werden. Sie könnten ohne einander<br />
nicht bestehen, obwohl ihre Existenz von einem ständigen Unabhängigkeitskampf<br />
untereinander bestimmt ist. Octavio Paz beschrieb<br />
Sex als<br />
36<br />
„[…] von allen dreien am wenigsten menschlich. Sex ist<br />
natürlich, kein kulturelles Produkt: Wir teilen ihn mit dem<br />
Großteil der nichtmenschlichen Arten. In seiner natürlichen,<br />
noch nicht durch die Kultur verdorbenen Form ist Sex immer<br />
gleich.“ 46<br />
In welcher Weise ist nun Erotik mit Sex verbunden? Erst die erotische<br />
Verfeinerung, sozusagen die Umsetzung des Sex in kulturelle<br />
und künstlerische Leistungen durch sexuelle Phantasien und sexuelle<br />
Umwege, schafft unbegrenzte Abwechslung. Die Kultur muss die<br />
sexuelle Lust von der Reproduktion, ihrer ursprünglichen Aufgabe,<br />
befreien. Hier werden die untrennbare Verbindlichkeit und das fortwährende<br />
Spannungsverhältnis zwischen Sex und Erotik deutlich<br />
erkennbar. Bauman spricht von zwei kulturellen Strategien, die in der<br />
Moderne um die Vormachtstellung wetteifern, der „institutionellen<br />
Strategie“ und der „romantischen Strategie“. 47 In beiden Strategien<br />
wird versucht, Erotik an Sex oder an die Liebe festzubinden, in der<br />
Annahme, dass Erotik selbst nichts Wertvolles oder Selbstbezweckendes<br />
darstellen kann. So betrachtet hat die spätmoderne Erotik<br />
einen unwiderlegbaren Durchbruch geschafft. Denn sie stellt sich<br />
selbstbewusst und unabhängig von Sex oder Liebe als einzigen und<br />
ausreichenden Zweck dar. Gegenwärtig ist die Unabhängigkeit der<br />
45 Vgl. Sigusch, V. (2002), S. 12f.<br />
46 Bauman, Z. (2002), S. 29.<br />
47 Vgl. Bauman, Z. (2002), S. 30ff.