Der wissenschaftliche ?Mittelbau? an deutschen ... - TU Berlin
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7. In ihrer Mehrheit blicken beide Gruppen optimis-<br />
tisch in ihre berufliche Zukunft, hier aber auch<br />
wieder die gewerkschaftlich Interessierten etwas<br />
verhaltener und skeptischer, die noch für viele<br />
Jahre nur befristete Arbeitsverträge oder gar<br />
Arbeitslosigkeit für sich erwarten. Die hohe fachli-<br />
che Orientierung und erwartungsvolle berufliche<br />
Zukunftshoffnung beider Gruppen relativieren die<br />
von ihnen klar erk<strong>an</strong>nten Missstände in der aktu-<br />
ellen Arbeitssituation, die sie offenbar erstaunlich<br />
duldsam ertragen (duldsames akademisches<br />
Prekariat) – evtl. auch individuell mutlos aufgrund<br />
fehlender betrieblicher Unterstützung durch den<br />
Personalrat und ausbleibender gewerkschaftlicher<br />
Alternativen. Schier resignativ nehmen sie schon<br />
heute die kommenden „schwarzen Wolken“ am<br />
rosigen Zukunftshimmel wahr: Die drohende<br />
Unvereinbarkeit eines befriedigenden Familien-<br />
lebens mit den räumlichen, zeitlichen und sozialen<br />
Flexibilitäts<strong>an</strong>sprüchen des ersehnten wissen-<br />
schaftlichen Berufslebens.<br />
8. Die Frauen unter den Befragten äußern eine Reihe<br />
von speziellen Problemen, die von ihrem sehr<br />
hohem Anteil von halben Stellen, Aufschub ihrer<br />
Kinderwünsche, drohender Arbeitslosigkeit nach<br />
der Promotion und starker Unvereinbarkeit von<br />
Beruf und Familie h<strong>an</strong>deln. Für Gewerkschaften<br />
und Personalräte sind sie wesentlich leichter als<br />
ihre männlichen Berufskollegen <strong>an</strong>sprechbar: 44<br />
Prozent wollen gerne mehr über die Arbeit der<br />
Gewerkschaften im Hochschulbereich erfahren,<br />
bei den Männern sind dies nur 35 Prozent.<br />
9. Die „Duldsamkeit des akademischen Prekariats“<br />
hängt wesentlich mit der Heimatlosigkeit der<br />
Nachwuchswissenschaftler/-innen in den Gewerk-<br />
schaften und Personalräten zusammen: Kollektive<br />
(Kampf) – Maßnahmen und Schutzstrategien für<br />
diese <strong>wissenschaftliche</strong>n Zwitterwesen von voll-<br />
wertig arbeitenden Auszubildenden in quasi feu-<br />
dalen Abhängigkeitsverhältnissen sind bisher<br />
kaum konzipiert und <strong>an</strong>gewendet worden, indivi-<br />
duelles Duckmäusertum und gnadenloses Kon-<br />
kurrenzverhalten scheinen die einzige wirkungs-<br />
volle Überlebens- und Karrierestrategien zu sein.<br />
Nirgendwo verläuft die Trennungslinie zwischen<br />
gewerkschaftlich Interessierten und nicht Interes-<br />
sierten schärfer als bei der Einschätzung, ob die<br />
Gewerkschaften bei der beruflichen Laufbahn<br />
nützlich sein können: Während diese Überzeu-<br />
gung 46 Prozent der gewerkschaftlich Interes-<br />
sierten äußern, tun dies nur 8 Prozent der<br />
Gewerkschaftsfernen. Hier ist wohl der bedeut-<br />
samste Punkt für Gewerkschaften und Personal-<br />
räte mit der größten Arbeitnehmergruppe in den<br />
Hochschulen ins Gespräch zu kommen, und sie<br />
durch konkrete H<strong>an</strong>dlungen zu überzeugen.<br />
Sachliches, rationales Auftreten gepaart mit ernst-<br />
haftem Willen aufein<strong>an</strong>der zu zugehen und zuzu-<br />
hören, sollte zu energischem H<strong>an</strong>deln bei der<br />
Interessenvertretung für das akademische Preka-<br />
riat führen. Es ist abzuwarten, ob bei interess<strong>an</strong>ten<br />
Angeboten nicht auch die Gruppe der Gewerk-<br />
schaftsfernen <strong>an</strong> diesen Interesse findet und d<strong>an</strong>n<br />
ihre Einstellung ändert. Aber auch nur für die<br />
Gruppe der gewerkschaftlich Interessierten lohnen<br />
sich Bemühungen, <strong>an</strong> diese mit sie interessieren-<br />
den, konkreten Angeboten her<strong>an</strong>zutreten. Viele<br />
der Befragten zeigten schon <strong>an</strong>gesichts unserer<br />
Befragung eine gewisse D<strong>an</strong>kbarkeit, dass m<strong>an</strong><br />
sich überhaupt mit ihrer Situation beschäftigt, wie<br />
die folgende Auswahl von Statements am Ende<br />
des Fragebogens belegt:<br />
„D<strong>an</strong>ke dass Ihr Euch um uns kümmert.“<br />
„Endlich nimmt sich jem<strong>an</strong>d des Themas<br />
systematisch <strong>an</strong>! Prima!! Viel Erfolg!“<br />
„Ich finde das Anliegen gut – macht weiter so!“<br />
„Schön, wenn jem<strong>an</strong>d das mal eruiert, ich hoffe<br />
das wird d<strong>an</strong>n veröffentlicht, unter welch<br />
prekären Bedingungen wir hier arbeiten<br />
(müssen/dürfen)... d<strong>an</strong>ke. Viel Erfolg dabei...“<br />
„Sehr gut, dass die Situation des<br />
<strong>Mittelbau</strong>s/Nachwuchswissenschaftler/-innen<br />
Thema ist. Weiter und stärker so!!!“<br />
„Schön, dass mal jem<strong>an</strong>d d<strong>an</strong>ach fragt!!!“<br />
„Bin gesp<strong>an</strong>nt auf die Auswertung! Wäre gut<br />
wenn Führungskräfte die Ergebnisse der<br />
Auswertung erhalten!“<br />
„Ich hoffe, dass die hier erhobenen Daten auch<br />
tatsächlichWirkung erzielen könnten, bin jedoch<br />
eher pessimistisch.“<br />
Gewerkschaften und Personalrat im Urteil der Nachwuchswissenschaftler/-innen 71