Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Markschies hält es für „ganz und gar unwahrsche<strong>in</strong>lich, dass Paulus<br />
selbst oder diese Briefe schon gegen entfaltete mythologische Systeme<br />
argumentierten.“ 33<br />
Überblickt man den Verlauf der Ause<strong>in</strong>andersetzung über die<br />
„vorchristliche Gnosis“, wird klar, dass die eigentliche historische Frage<br />
nicht zuletzt deswegen so heiß umstritten ist, weil sie sich bei vielen<br />
Exegeten mit e<strong>in</strong>er theologischen Wertentscheidung verb<strong>in</strong>det. Es geht<br />
um die Alternative „biblisch-jüdisch“ oder „hellenistisch-gnostisch“.<br />
Während bei den Verfechtern e<strong>in</strong>er religionsgeschichtlichen, d.h.<br />
„gnostischen“ Lösung nicht selten e<strong>in</strong> gewisses Wissenschaftspathos im<br />
Spiel war <strong>–</strong> sah man sich selbst auf der Seite derer, die die<br />
Gnosisforschung von der „Enge der Kirchengeschichte <strong>in</strong> die freie Luft<br />
der Religionsgeschichte“ führten 34 <strong>–</strong> befürchteten Theologen wie Hengel<br />
offenbar e<strong>in</strong>e „synkretistische Paganisierung des Urchristentums“, 35 e<strong>in</strong>e<br />
„Auslieferung an den paganen Mythos“. 36 Hier galt und gilt alle<strong>in</strong> „das<br />
Jüdische“ als e<strong>in</strong>e Art „Reservat legitimen biblischen Denkens“, während<br />
demgegenüber alles „Hellenistische“ von vornhere<strong>in</strong> dem Verdacht des<br />
Illegitimen bzw. des „biblisch Unsachgemäßen“, d.h. des „Heidentums“<br />
unterliegt. 37 „Das alttestamentliche Erbe gilt dieser Forschung a priori als<br />
legitimes Erbe, während das hellenistische Erbe ebenso a priori als<br />
‚Fremde<strong>in</strong>fluß’ abgewertet und auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum reduziert wird.“ 38<br />
Im H<strong>in</strong>blick auf die eigentliche historische Fragestellung fällt e<strong>in</strong>e<br />
Entscheidung schwer. Licht und Schatten, Recht und Unrecht der e<strong>in</strong>en<br />
oder anderen Lösung s<strong>in</strong>d ganz unterschiedlich verteilt. Alle genannten<br />
Wissenschaftler sehen Richtiges, und doch hängen sie alle zugleich<br />
e<strong>in</strong>em Irrtum an.<br />
33 Markschies 2010, S. 74.<br />
34 Rudolph 1983, S. 37; kritisch dazu Markschies 2010, S. 32.; Berger, S. 521, zieht<br />
unter der Überschrift „systematisch bed<strong>in</strong>gte Forschungs<strong>in</strong>teressen“ Parallelen zwischen<br />
den Vertretern der frühen Gnosis und den heutigen Theologen (wobei er offenbar vor<br />
allem den protestantischen me<strong>in</strong>t) und glaubt, bei allen Gegensätzen e<strong>in</strong>e geheime Aff<strong>in</strong>ität<br />
und Seelenverwandtschaft feststellen zu können. Dazu gehörten nach se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung<br />
vor allem die Vorliebe für die präsentische Eschatologie und der soteriologischen<br />
Individualismus; die gnostischen Heilssicherheit werde oft als Gegenbild zur eigenen<br />
protestantischen Existenz verstanden, der gnostische Urmenschen als moderner Idealmensch<br />
(Nietzsches „Übermensch“) und anderes mehr. Das alles ist freilich an den<br />
Haaren herbeigezogen. <strong>Gnostische</strong>s Gedankengut wurde <strong>–</strong> im Gegensatz zu jüdischem <strong>–</strong><br />
<strong>in</strong> protestantischen Kreisen kaum rezipert.<br />
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35 Hengel 1977, S. 34.<br />
36 Hengel 1977, S. 113.<br />
37 Gräßer 1964, S. 167, 170f. im H<strong>in</strong>blick auf den Hebräerbrief; vgl. Weiß 2008, S.<br />
38 Gräßer 1964, S. 167.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013