Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Mythos-Satzes Phil. 2, 6-7“ stellt er fest, dass die Auslegung des<br />
Christushymnus sich <strong>in</strong> der Alten Kirche gabelte und dass es neben e<strong>in</strong>er<br />
solchen, <strong>in</strong> der der präexistente Christus/Logos als Subjekt von Phil<br />
2:6ff. galt (B, griechische Väter), auch e<strong>in</strong>e andere gab, <strong>in</strong> der der<br />
„wirkliche“ Mensch <strong>Jesus</strong> als Subjekt angesehen wurde (A, late<strong>in</strong>ische<br />
Väter). Weiter glaubt Barnikol zeigen zu können, dass die beiden Verse<br />
6-7 e<strong>in</strong>igen Kirchenvätern, z.B. Irenäus, noch unbekannt waren. Und<br />
schließlich weist er auf die bereits oben zitierte Auslegung der<br />
Marcioniten h<strong>in</strong>, die nach se<strong>in</strong>er Ansicht den S<strong>in</strong>n des Textes besser trifft<br />
als jede andere. „Ist das aber Marcions christologische Herzensme<strong>in</strong>ung<br />
und Deutung dieser … ‚Paulus-Stelle’, worüber ke<strong>in</strong> Zweifel bestehen<br />
kann, dann muss man sagen, dass dieser Text ausgezeichnet zu dieser (sc.<br />
Marcions) anthropo-doketischen Christologie passt. Wie angegossen. Als<br />
ob er eigens dafür geschaffen bez. aus diesem christologischem Glauben<br />
heraus gestaltet worden wäre.“ 119 Barnikol nimm darum an, dass es sich<br />
bei den beiden 6-7 um e<strong>in</strong>en marcionitischen E<strong>in</strong>schub aus dem 2.<br />
Jahrhundert handelt. Wenn e<strong>in</strong> Kirchenvater wie Tertullian, der glaubt,<br />
dass <strong>in</strong> den Versen von der wirklichen Inkarnation des Gottessohnes<br />
gesprochen würde, recht hätte, „warum heißt es dann nicht statt der<br />
Dreizahl von Knechtsgestalt, Mensch-Aehnlichkeit und Figura, e<strong>in</strong>fach:<br />
homo factus est? Warum fehlen nicht die schillernden Umschreibungen<br />
gerade im S<strong>in</strong>ne Marcions?“ 120 Barnikols Antwort: „Weil eben Marcion<br />
der Autor ist, der diesen se<strong>in</strong>er Christologie alle<strong>in</strong> adäquaten Text schuf!“<br />
Der Kern se<strong>in</strong>er Lehre sei dar<strong>in</strong> enthalten: Die Präexistenzvorstellung ist<br />
nach Barnikols Ansicht im Grunde unpaul<strong>in</strong>isch und erst sekundär durch<br />
die beiden Verse 6-7 <strong>in</strong> den Hymnus e<strong>in</strong>getragen worden.<br />
Schließlich weist Barnikol noch auf e<strong>in</strong>ige Abweichungen zwischen<br />
marcionitischer Textform und Textus Receptus h<strong>in</strong>, die sich nach se<strong>in</strong>er<br />
Ansicht am besten durch die Annahme e<strong>in</strong>er katholischen Überarbeitung<br />
des ursprünglichen marcionitischen Hymnus erklären lassen. (1)<br />
Während die altkatholischer Kirche 2:7c den Plural anthrōpōn („der<br />
Menschen“, Plural) las, las Marcion Genitiv S<strong>in</strong>gular anthrōpou; („des<br />
Menschen“) (2) das <strong>in</strong> der katholischen Fassung auf anthrōpōn folgende<br />
genomenos („geworden“) fehlt <strong>in</strong> der marcionitischen Fassung ebenso (3)<br />
wie das hōs („wie“) vor anthrōpos („Mensch“). Die erste Variante erklärt<br />
sich nach Barnikol aus der Absicht des katholischen Redaktors, dem<br />
homoiōma den S<strong>in</strong>n von „Gleichheit“ zu geben, um auf diese Weise die<br />
Menschheit Christi zu unterstreichen, denn: „Man sagt nicht Aehnlichkeit<br />
der Menschen, sondern Aehnlichkeit e<strong>in</strong>es Menschen für Mensch(en)-<br />
Aehnlichkeit, aber man sagt Gleichheit der Menschen für<br />
Menschengleichheit.“ Die H<strong>in</strong>zufügung des genomenos kann als Versuch<br />
119 Barnikol 1932, S. 75.<br />
120 Barnikol 1932, S. 76.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013