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Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik

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gehen. 171 Die oben erwähnten Argumente dagegen s<strong>in</strong>d nicht ganz von<br />

der Hand zu weisen. Die Behauptung, dass sich der Plural archontes im<br />

Neuen Testament auf irdische Machthaber bezieht, ist wohl zutreffend.<br />

Es ist aber methodisch unzulässig, daraus den Schluss zu ziehen, es<br />

könnten deswegen „per se“ ke<strong>in</strong>e Geistermächte geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>. Der im<br />

Johannesevangelium gebrauchte Ausdruck „Fürst dieser Welt“ (archōn<br />

tou kosmou; Joh 12:31; 14:30; 16:11) bezeichnet <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e dämonologische<br />

Größe, und es ist nicht e<strong>in</strong>zusehen, warum diese nicht<br />

auch <strong>in</strong> der Pluralform hätte verwendet werden können (e<strong>in</strong>e andere,<br />

nicht unerhebliche Frage ist freilich, ob das Johannesevangelium überhaupt<br />

im 1. Jahrhundert entstand).<br />

Doch abgesehen davon klären sich die von Carr gegen die dämonologische<br />

Deutung erhobenen E<strong>in</strong>wände vollständig, wenn man nicht <strong>–</strong> wie<br />

er und die meisten anderen Exegeten <strong>–</strong> von vornhere<strong>in</strong> die Echtheit des 1<br />

Kor<strong>in</strong>therbriefes voraussetzt und den Brief <strong>in</strong> das 1. Jahrhundert datiert.<br />

Der Ausdruck archontes tou aiōnos toutou ist <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong> Term<strong>in</strong>us<br />

aus dem 2. Jahrhundert und entstammt der mythologischen Gnosis <strong>–</strong> dar<strong>in</strong><br />

muss man Carr zustimmen. Eben deswegen ist er aber auch, was Carr<br />

und andere Exegeten natürlich nicht wahrhaben wollen, der deutlichste<br />

H<strong>in</strong>weis darauf, dass der Autor des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefes <strong>in</strong> eben diese Zeit,<br />

d.h. <strong>in</strong> das 2. und nicht <strong>in</strong> das 1. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gehört! Carrs Annahme,<br />

die Formulierung könne gar nicht als gnostischer Topos geme<strong>in</strong>t<br />

se<strong>in</strong>, weil er beim Verfasser des Briefes, bei „Paulus“ also, begegnet,<br />

geht von der irrigen Annahme aus, dass der Verfasser des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefs<br />

e<strong>in</strong> Gegner der Gnosis war, was jedoch allererst noch zu beweisen<br />

wäre.<br />

E<strong>in</strong>en anderen Versuch, der gnostischen Interpretation zu entkommen<br />

und „Paulus“ aus dem weisheitlichen Kontext bzw. von Philo her zu verstehen,<br />

hat Sell<strong>in</strong> gemacht. 172 Nach ihm soll die ganze Theorie vom gnostischen<br />

Mythos schon deswegen entfallen, weil mit dem Relativpronomen<br />

hēn (die ke<strong>in</strong>er der Herrscher dieses Aions erkannt hat) ke<strong>in</strong>e personifizierte<br />

Weisheit, sondern der Plan Gottes geme<strong>in</strong>t sei. Auch für Sell<strong>in</strong><br />

s<strong>in</strong>d mit den „Herrschern der Welt“ ke<strong>in</strong>e gnostischen Archonten, sondern<br />

die für die Kreuzigung verantwortlichen „religiösen Führer“ geme<strong>in</strong>t.<br />

Leider versäumt Sell<strong>in</strong> es, uns zu sagen, um welche es sich dabei<br />

im E<strong>in</strong>zelnen handelt und wo wir etwas über deren „Weisheit“ erfahren<br />

können.<br />

171 Zum Beispiel behauptet Carr, Ignatius „shows very little <strong>in</strong>terest <strong>in</strong> angelic or demonic<br />

be<strong>in</strong>gs.“ <strong>–</strong> Aber diese Bahuptung kann angesichts von IgnEph 10:3; 13:1 (hai<br />

dynameis tou Satanā); 17:1; 18:2; IgnMag 1:2; IgnTrall 4:2; 5:1; 8:1; IgnRöm 5:3; 7:1;<br />

IgnPhld 6:2; IgnSm 6:1 (Satan als archōn dieser Welt) ; 9:1 nur als ignorant bezeichnet<br />

werden; W<strong>in</strong>k 1989, S. 42, A. 8.<br />

172 Sell<strong>in</strong> 1982, S. 84ff.<br />

© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013

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