Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Vorhandense<strong>in</strong> dieser Stelle belegt. Ignatius spricht von sich als dem<br />
Bischof der syrischen Kirche und bezeichnet sich <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang als e<strong>in</strong> unwürdiges Glied, als den „letzten“ (eschatos)<br />
und ebenso wie „Paulus“, allerd<strong>in</strong>gs ohne den bestimmten Artikel, als<br />
e<strong>in</strong>e „Fehlgeburt“ (ektrōma), „aber durch (Gottes) Erbarmung b<strong>in</strong> ich<br />
etwas, wenn ich zu Gott gelangt h<strong>in</strong>.“<br />
c) Man greift auf die Hypothese e<strong>in</strong>er „vorchristlichen Gnosis“ zurück<br />
und nimmt an, der vom Verfasser des ersten Kor<strong>in</strong>therbriefes zitierte<br />
gnostische Mythos habe bereits im 1. Jahrhundert existiert. Diese<br />
Möglichkeit entfällt, wie wir e<strong>in</strong>gangs gesehen haben, aus pr<strong>in</strong>zipiellen<br />
Gründen.<br />
Da also alle drei Möglichkeiten ausscheiden, bleibt am Ende nur noch<br />
e<strong>in</strong>e vierte:<br />
d) Man erkennt, dass der Verfasser des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefes <strong>in</strong> das<br />
zweite Jahrhundert gehört und dass es sich bei dem angeblichen Brief<br />
an die Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th um e<strong>in</strong> pseudepigraphisches Schreiben aus<br />
eben dieser Zeit handelt.<br />
Wie es sich mit der theologischen Herkunft des im 2. Jahrhundert<br />
schreibenden Verfassers verhält, ist dabei durchaus noch unklar. Die<br />
Benutzung und Zitation des gnostischen Mythos zeigen aber, dass er <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er direkten Nähe zur Gnosis und zum Marcionitismus steht und die<br />
Kenntnis dieses Mythos auch bei se<strong>in</strong>en christlichen Lesern als<br />
selbstverständlich voraussetzt. Eigenartig ist allerd<strong>in</strong>gs, dass er sich, wie<br />
<strong>in</strong> dem Falle des „Raubes“ oder der „Fehlgeburt“, lediglich auf e<strong>in</strong>ige<br />
zum Teil recht dunkle Anspielungen beschränkt. Das könnte mit dem<br />
besonderen Geheimnischarakter der nur mündlich erteilten Belehrung tun<br />
zu tun (Arkandiszipl<strong>in</strong>), was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderem Zusammenhang<br />
ausführlicher erläutert werden wird.<br />
H<strong>in</strong>zuweisen ist noch auf die spätere gnostische Rezeption von 1 Kor<br />
15:8, von der wir durch Irenäus Kenntnis haben. Nach Ansicht der<br />
valent<strong>in</strong>ianischen Gnostiker, so Irenäus (Haer 1.8.2), habe Paulus mit den<br />
Worten 15:8 andeuten wollen, dass der Heiland der Achamoth, „als sie<br />
außerhalb des Pleroma <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>er Fehlgeburt (<strong>in</strong> abortionis parte)<br />
verweilte, erschienen sei.“ Das <strong>in</strong>dividuelle Berufungserlebnis des Paulus<br />
wird als e<strong>in</strong> irdisches Abbild des mythischen Geschehens, das sich<br />
zwischen Heiland und Achamoth abspielt, gedeutet.<br />
Inwieweit die Art und Weise, <strong>in</strong> der das paul<strong>in</strong>ische Berufungserlebnis<br />
15:8 dargestellt wird, Konsequenzen für die Bewertung des Verhältnisses<br />
zwischen Paulus zu den übrigen Aposteln hat, lässt sich nicht sagen.<br />
Pagels nimmt an, die Gnostiker hätten daraus geschlossen „that Paul<br />
alone received the pneumatic gospel, while the preach<strong>in</strong>g of the rest<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013