Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Die e<strong>in</strong>en haben dar<strong>in</strong> Recht, dass sie die Existenz e<strong>in</strong>er<br />
vorchristlichen Gnosis aufgrund fehlender gnostischer Orig<strong>in</strong>altexte aus<br />
dem 1. nachchristlichen Jahrhundert bestreiten und <strong>in</strong> der Gnosis e<strong>in</strong><br />
Phänomen des 2. Jahrhunderts sehen. Weiterh<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d sie dar<strong>in</strong><br />
konsequent, dass sie die Hypothese, es habe mündliche Vorstufen<br />
gegeben, ablehnen. 39 Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt gehen sie zu weit: die<br />
gnostischen <strong>Elemente</strong> <strong>in</strong> der paul<strong>in</strong>ischen Sprache und Theologie lassen<br />
sich bei unvore<strong>in</strong>geommener Exegese schlechterd<strong>in</strong>gs nicht leugnen.<br />
Vage H<strong>in</strong>weise auf die jüdische Weisheitsliteratur und das<br />
„zeitgenössische Judentum“, woraus sich diese angeblich „zwanglos“<br />
ableiten lassen sollen, 40 können allenfalls punktuelle Parallelen<br />
aufzeigen, reichen aber nicht aus, ihre Eigenart und <strong>in</strong>nere Struktur zu<br />
erklären. Ebenso wenig geht es an, die weisheitlichen „Parallel“-Texte<br />
bereits gnostisch zu <strong>in</strong>terpretieren, um sie für Paulus „passend“ zu<br />
machen. Damit ist weder den herangezogenen Texten noch „Paulus“<br />
Gerechtigkeit getan (wie wir am Beispiel von Sell<strong>in</strong>s Exegese von 1 Kor<br />
2:8 sehen werden). 41<br />
Dagegen wird man z.B. Schmithals nicht vorwerfen können, den<br />
exegetischen Befund bei Paulus vernachlässigt oder schöngeredet zu<br />
haben. Hier ist das Problem e<strong>in</strong> anderes: Aus der Existenz e<strong>in</strong>er<br />
gnostischen Begrifflichkeit <strong>in</strong> den paul<strong>in</strong>ischen Texten werden die<br />
falschen Schlussfolgerungen gezogen. Schmithals spricht von e<strong>in</strong>em<br />
hermeneutischen Zirkel und gibt zu bedenken, dass die Annahme e<strong>in</strong>er<br />
Gnosis im ersten Jahrhundert und e<strong>in</strong>e sachgerechte Auslegung des NT<br />
sich gegenseitig bed<strong>in</strong>gen. Prägnant drückt Rudolph denselben<br />
Sachverhalt aus: Ihm sche<strong>in</strong>t, dass „das Neue Testament selbst dafür der<br />
beste Zeuge“ ist, dass bereits im ersten Jahrhundert e<strong>in</strong>e Gnosis<br />
39 Hengel 2005, S. 487f.<br />
40 Markschies 2010, S. 74 mit Bezug auf den Kolosserbrief.<br />
41 Auch Weiß 2008, S. 68 sieht und anerkennt mit anderen Exegeten, vor allem im<br />
H<strong>in</strong>blick auf den 1. Kor<strong>in</strong>therbrief 2,6 ff. (oder auch 1 Kor 8,1 ff. usw.), zahlreiche Parallelen<br />
und Übere<strong>in</strong>stimmungen mit gnostischen Vorstellungen und spricht von e<strong>in</strong>er<br />
„gnosisnahen“ bzw. „gnosisbereiten“ Sprache des Paulus, vgl. Schrage 1995, S. 263;<br />
Widmann 1979, S. 46<strong>–</strong>48. Diese sei allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mit der frühen Gnosis geme<strong>in</strong>samen<br />
„Ursprungszusammenhang“ begründet, der (hellenistisch-jüdischen) dualistischen<br />
Weisheit. Dieser Ursprungszusammenhang soll wiederum für Paulus wie auch für<br />
die (spätere christliche) Gnosis e<strong>in</strong>e etwa gleichzeitige Entwicklung im Verlauf des 1.<br />
nachchristlichen Jahrhunderts voraussetzen, „<strong>in</strong> der jenes geme<strong>in</strong>same Erbe e<strong>in</strong>er ‚dualistischen<br />
Weisheit’ auf eigene Weise bzw. unter e<strong>in</strong>em unterschiedlichen hermeneutischen<br />
Vorzeichen gestaltet bzw. verarbeitet worden ist. Im speziellen Falle der Geme<strong>in</strong>de<br />
<strong>in</strong> Kor<strong>in</strong>th bedarf es dabei ke<strong>in</strong>er Frage, dass die gnosisnahe Sprache des Paulus ihrerseits<br />
nicht zuletzt, vielleicht sogar primär, durch die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit se<strong>in</strong>en<br />
Kontrahenten <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de bed<strong>in</strong>gt ist, konkret also die Negation der Position se<strong>in</strong>er<br />
Gegner zum Ziel hat: Gnosisnahe Sprache also als Instrument der Zurechtweisung und<br />
Polemik.“ Solche gut kl<strong>in</strong>genden Theorien müssen an der konkreten E<strong>in</strong>zelexegese regelmäßig<br />
scheitern.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013