Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Vor allem vor diesem H<strong>in</strong>tergrund versteht es sich, dass die Mehrheit<br />
der Exegeten lieber die Probleme <strong>in</strong> Kauf nimmt, die sich bei e<strong>in</strong>er<br />
Deutung des Namens als kyrios ergeben, als der sprachlich<br />
wahrsche<strong>in</strong>licheren, aber <strong>in</strong>haltlich problematisch ersche<strong>in</strong>enden<br />
Deutung des Namens als <strong>Jesus</strong> den Vorzug zu geben.<br />
Und doch wäre es voreilig, die Segel zu streichen und wieder zum<br />
angeblich geme<strong>in</strong>ten „Namen“ kyrios zurückzukehren, weil uns sonst die<br />
entscheidende Po<strong>in</strong>te des Christushymnus entgehen würde. Wer sagt<br />
denn, dass der Verfasser dieses alten Hymnus den <strong>Jesus</strong> der Evangelien<br />
me<strong>in</strong>te bzw. dass er ihn überhaupt schon kannte? Es wird an dieser Stelle<br />
wieder e<strong>in</strong>mal deutlich, dass es den meisten Exegeten aufgrund ihrer<br />
e<strong>in</strong>gefahrenen Sichtweise unmöglich ist, e<strong>in</strong>en Sachverhalt, der sich<br />
diese Sichtweise entzieht, angemessen zu erfassen. Statt sich mit<br />
gequälten Erklärungen zu begnügen, wäre es besser, sich wirklich auf die<br />
Texte e<strong>in</strong>zulassen, was freilich e<strong>in</strong>e grundlegende Änderung der<br />
Betrachtungsweise bzw. e<strong>in</strong> Paradigmenwechsel zur Voraussetzung<br />
hätte, zu dem man sich nicht durchr<strong>in</strong>gen mag.<br />
In diesem Fall ist das, was Phil 2:9-11 zu sagen hat, <strong>in</strong> der Tat<br />
erstaunlich. Wenn es sich bei dem „Namen, der über alle Namen ist“ <strong>in</strong><br />
der Tat um den Namen <strong>Jesus</strong> handelt <strong>–</strong> und der Text sagt ja nichts<br />
anderes <strong>–</strong>, wenn der <strong>Jesus</strong>name weiterh<strong>in</strong> dem göttlichen Wesen erst bei<br />
se<strong>in</strong>er Erhöhung zuteil geworden se<strong>in</strong> soll, so bedeutet dies nichts<br />
anderes, als dass der Verfasser dieses alten Hymnus e<strong>in</strong>e ganz andere<br />
Auffassung von der Person Jesu Christi besaß, als wir sie aufgrund<br />
unserer Kenntnis der Evangeliengeschichte <strong>in</strong> den Hymnus h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tragen.<br />
Es wäre nämlich vom Verfasser des Hymnus weder die volle Menschheit<br />
Christi vorausgesetzt worden <strong>–</strong> dieser ersche<strong>in</strong>t vielmehr nur „nach<br />
Ähnlichkeit“ als Mensch <strong>–</strong> noch hätte er irgende<strong>in</strong> Wissen davon<br />
besessen, dass der, der den Namen <strong>Jesus</strong> von Gott bei se<strong>in</strong>er Erhöhung<br />
als Ehrennamen erhielt, von Anfang an <strong>Jesus</strong> hieß. Stattdessen hätte er<br />
e<strong>in</strong>en re<strong>in</strong>en Mythos erzählt, der sich pr<strong>in</strong>zipiell nicht von all jenen<br />
Mythen unterschied, wie wir sie bereits <strong>in</strong> den gnostischen Systemen der<br />
Valent<strong>in</strong>ianer, Sethianer usw. kennengelernt haben.<br />
Es hätte, so müssten wir wohl mit Blick auf die Geschichte des<br />
„Historischen <strong>Jesus</strong>“ folgern, ke<strong>in</strong>e nachträglich mythische „Überhöhung“<br />
oder „Übermalung“ des Erdenlebens e<strong>in</strong>er geschichtlichen Gestalt<br />
stattgefunden, sondern vielmehr wäre das irdische Leben Jesu die spätere<br />
Historisierung e<strong>in</strong>er im Kern durch und durch mythologischen<br />
Angelegenheit.<br />
Es gibt also ke<strong>in</strong>e grundlegende Diskrepanz zwischen dem Phil 2:6-11<br />
erzählten <strong>Jesus</strong>mythos und dem Sophiamythos der Valent<strong>in</strong>ianer,<br />
Sethianer und anderer Gnostiker. Die beiden e<strong>in</strong>zigen Unterschiede<br />
betreffen Nuancen. Während der Soter <strong>in</strong> dem mythologischen Kosmos<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013