Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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1 Kor 15:8 <strong>–</strong> Der Apostel als „Fehlgeburt“<br />
Zu den Passagen, die ohne den H<strong>in</strong>tergrund des gnostischen Mythos<br />
nicht verstanden werden können, gehört auch 1 Kor 15:8. Nach e<strong>in</strong>er<br />
Auflistung der Auferstehungszeugen sagt „Paulus“ von sich:<br />
„Zuletzt von allen aber wie der Fehlgeburt (ektrōma) so erschien<br />
er (der auferstandene Christus) auch mir, denn ich b<strong>in</strong> der<br />
ger<strong>in</strong>gste der Apostel, der ich nicht geeignet b<strong>in</strong> Apostel genannt<br />
zu werden, weil ich die Geme<strong>in</strong>de Gottes verfolgt.“<br />
Strittig ist die Interpretation des Wörtchens ektrōma, das im NT nur an<br />
dieser Stelle begegnet. Bei den griechischen Schriftstellern ist damit im<br />
Allgeme<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e „Fehlgeburt“ geme<strong>in</strong>t, wobei offen bleibt, ob es sich<br />
um e<strong>in</strong>e Früh- oder Totgeburt handelt. „In jedem Fall handelt es sich um<br />
die unausgetragene, unreife Leibesfrucht, die lebendig oder tot zur Welt<br />
gebracht wird. Entscheidend ist der unnormale Zeitpunkt der Geburt und<br />
die unvollkommene Gestalt des Geborenen.“ 180 In der Septuag<strong>in</strong>ta<br />
kommt ektrōma nur dreimal vor. Während <strong>in</strong> Koh 6:3, Ijob 3:16 das<br />
Wort die Bedeutung unzeitige Geburt, Frühgeburt hat, ist Num 12:12<br />
offenbar die Totgeburt geme<strong>in</strong>t, die schon im Mutterleib ohne Leben<br />
war.<br />
Da Paulus davon spricht, dass ihm Christus „zuletzt von allen<br />
(Aposteln)“ erschienen ist, legt sich die Annahme nahe, dass ektrōma<br />
hier im S<strong>in</strong>ne von „Spätgeburt“ oder „Nachgeburt“ geme<strong>in</strong>t sei. Doch<br />
angesichts des klaren lexikalischen Befunds muss diese Deutung<br />
ausscheiden. 181 So kommt als Bedeutung von ektrōma nur „Frühgeburt“<br />
bzw. „Fehlgeburt“ <strong>in</strong> Frage, was wiederum erhebliche Interpretationsschwierigkeiten<br />
bereitet, da beide Übersetzungen sich nur schwer damit<br />
vere<strong>in</strong>baren lassen, dass „Paulus“ sich ausdrücklich als den letzten<br />
Auferstehungszeugen bezeichnet. Harnack: „An ektrōma als Frühgeburt<br />
kann nicht gedacht werden, denn dazu passt eschaton wie die Faust aufs<br />
Auge.“ 182<br />
Gleiches gilt für die Übersetzung „Totgeburt“, die ebenso wenig als<br />
„Interpretament der e<strong>in</strong>leitenden zeitlichen Bestimmung“ 183 betrachtet<br />
werden kann. Als weitere Schwierigkeit kommt noch h<strong>in</strong>zu, dass ektrōma<br />
durch den bestimmtem Artikel determ<strong>in</strong>iert wird und dadurch e<strong>in</strong><br />
180 Schneider 1933-1979, S. 463.<br />
181 Schneider 1933-1979, S. 464.<br />
182 Harnack 1980, S. 72, A. 3.<br />
183 von der Osten-Sacken 1973, S. 250.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013