Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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haben sie die von ihnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em spiritualisierten S<strong>in</strong>n aufgefasste<br />
Auferstehung bereits h<strong>in</strong>ter sich, e<strong>in</strong>e zukünftige Totenauferstehung wird<br />
von ihnen bestritten (1 Kor 15:12); sie rühmen sich ihrer<br />
Vollkommenheit, die sie Paulus absprechen (1 Kor 4:8), und bezeichnen<br />
sich selbst als christos (1 Kor 1:12); sie demonstrieren ihre „Freiheit“,<br />
d.h. Überlegenheit über die kosmischen Mächte, durch das Essen von<br />
Götzenopferfleisch (1 Kor 8:1-13; 10:14-22; 10:23-11:2) und fordern<br />
e<strong>in</strong>en libert<strong>in</strong>istischen Umgang mit dem Leib (1 Kor 5:1-13). In den<br />
Geme<strong>in</strong>deversammlungen treten sie als Propheten auf (1 Kor 14:3f) und<br />
demonstrieren gnostische Geistbesessenheit, z.B. durch Zungenreden (1<br />
Kor 12-14). Sie lassen sich für die Toten taufen (1 Kor 15:29).<br />
Da Paulus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Briefen Gnostiker bekämpfe, konnte er nicht<br />
selbst Gnostiker se<strong>in</strong>. Die zahlreichen gnostischen <strong>Elemente</strong> <strong>in</strong> der<br />
Theologie des Paulus werden von Schmithals im Anschluss an Bultmann<br />
als Übernahme und Anleihen gnostischer Begrifflichkeit betrachtet: „Bei<br />
der Verwendung gnostischer Motive handelt es sich“ nach dem Urteil<br />
von Schmithals „also nicht um e<strong>in</strong> synkretistisches Phänomen, erst recht<br />
nicht um den Übergang zur Gnosis selbst, sondern um e<strong>in</strong> sprachlichhermeneutisches<br />
Geschehen“. 13<br />
Angesichts vieler wirklicher (und auch mancher verme<strong>in</strong>tlicher)<br />
gnostischer Spuren und <strong>Elemente</strong>, die von Schmithals und Rudolph <strong>in</strong><br />
den paul<strong>in</strong>ischen Briefen nachgewiesen wurden, kann man verstehen und<br />
hätte auch Hengel verstehen müssen, dass e<strong>in</strong>e ganze Exegetengeneration<br />
vom „gnostischen Fieber“ ergriffen war und die Idee e<strong>in</strong>er<br />
vorchristlichen Gnosis als notwendige Konsequenz des exegetischen<br />
Befundes postulierte, ja, postulieren musste. Auch der Bultmann-Schüler<br />
Köster konstatierte: „Ohne Annahme e<strong>in</strong>er vorchristlichen Gnosis<br />
können viele frühchristliche und außerchristliche Phänomene gar nicht<br />
erklärt werden.“ 14<br />
Und doch stellte die Kluft, die sich nun auftat, zwischen der<br />
verme<strong>in</strong>tlichen Entstehungszeit der paul<strong>in</strong>ischen Briefe <strong>in</strong> der Mitte des<br />
1. und dem erst im 2. Jahrhundert nachweisbaren Ersche<strong>in</strong>en der Gnosis,<br />
vor große Probleme. Wie war es möglich, dass die Sprache des Paulus<br />
Worte und Begriffe enthielt, deren Profil deutlich auf gnostische<br />
Herkunft zu deuten schien, während andererseits aus dem ganzen 1.<br />
Jahrhundert außerhalb des NT ke<strong>in</strong>erlei Quellen bekannt waren, aus<br />
denen sich die Übernahme dieser gnostischen Begrifflichkeit erklären<br />
ließ?<br />
13 Schmithals 1984, S. 19.<br />
14 Koester 1964, S. 62 A. 5.<br />
6<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013