Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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k<strong>in</strong>disch und schwach und ohne Form wie Fehlgeburten<br />
hervorgebracht, waren wir K<strong>in</strong>der der Frau: jedoch als wir Form<br />
vom Erlöser empf<strong>in</strong>gen, wurden wir K<strong>in</strong>der des Mannes und des<br />
Brautgemachs.“ 207 : „Solange, sagen sie, wie der Same noch<br />
formlos ist, ist er K<strong>in</strong>d der Frau, aber wenn er geformt wird, wird<br />
er zum Mann umgewandelt und wird Sohn des Bräutigams. Er ist<br />
nicht länger schwach (asthenēs) und den kosmischen Mächten<br />
unterworfen, sei es den sichtbaren oder den unsichtbaren, sondern<br />
wird, zum Mann geworden, männliche Frucht.“ 208<br />
Diese Passagen können den S<strong>in</strong>n der Fehlgeburt-Metapher erhellen.<br />
Diese wird auf e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> materielles bzw. psychisches und ganz auf<br />
Erlösung durch das Pneuma angelegtes Dase<strong>in</strong> gedeutet, mit anderen<br />
Worten: Sie ist Bild für das vorchristliche Dase<strong>in</strong>. 209<br />
Damit aber ist nun auch die Brücke zu der rätselhaften Aussage 1 Kor<br />
15:8 geschlagen, denn auch hier geht es, wie wir gesehen haben, um das<br />
vorchristliche Dase<strong>in</strong>, das des „Paulus“. Der S<strong>in</strong>n der Aussage ist, wenn<br />
man sie von dem Zitat aus den Exc ex Theod her <strong>in</strong>terpretiert, klar:<br />
„Paulus“ benutzte das Bild der „Fehlgeburt“, um zum Ausdruck zu<br />
br<strong>in</strong>gen, dass se<strong>in</strong> vorchristliches Dase<strong>in</strong> e<strong>in</strong> noch unvollständiges, auf<br />
Erlösung und Formung durch das göttliche Pneuma angewiesenes war.<br />
Auch der rätselhafte Artikel vor ektrōma f<strong>in</strong>det vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />
se<strong>in</strong>e Erklärung. Er zeigt an, dass „Paulus“ nicht auf irgende<strong>in</strong>e, sondern<br />
auf „die Fehlgeburt“ des Sophia-Mythos anspielt, dessen Kenntnis er bei<br />
se<strong>in</strong>en Lesern offenbar voraussetzt und der bei ihm, wie wir bereits <strong>in</strong><br />
den beiden vorangegangenen Abschnitten gesehen haben, immer wieder<br />
ankl<strong>in</strong>gt.<br />
Dass <strong>in</strong>nerhalb dieses Vorstellungskomplexes e<strong>in</strong> enger<br />
Zusammenhang zwischen „Fehlgeburt“ und Initiation bzw. Berufung<br />
besteht, macht auch e<strong>in</strong> Zitat Hippolyts deutlich. In se<strong>in</strong>em Referat der<br />
Lehre des Basilides heißt es:<br />
„Nachdem dies so vor sich gegangen war, sollte auch die<br />
Gestaltlosigkeit bei uns erleuchtet und der <strong>in</strong> der Gestaltlosigkeit<br />
wie e<strong>in</strong>e Fehlgeburt zurückgelassenen Sohnschaft das Geheimnis<br />
207 Exc ex Theod 4:68.<br />
208 Exc ex Theod 4:79: Der „formlose“ Same entspricht also der „Fehlgeburt“; er bezeichnet<br />
nach gnostischer (antiker) Vorstellung die als amorphe Masse vorgestellte<br />
weiblich-materielle Grundlage des Fötus, während die „Form“ von der männlichen Seite<br />
beigesteuert wird. Auch Luk 1:35, die Überschattung der Jungfrau Maria, wird als<br />
Formung (enetuposen) des weiblichen „Samens“ durch den göttlichen Geist <strong>in</strong>terpretiert,<br />
vgl. Exc ex Theod 3:60.<br />
209 Erlösung wird hier „im mythischen Bild als Gestaltung des Ungestalten und Ungeordneten<br />
dargestellt, Wyrwa 2009, S. 110.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013