Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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fungsakt ihrer Urkraft entleeren, <strong>Jaldabaoth</strong> will den Menschen (Adam)<br />
durch e<strong>in</strong> Weib (Eva) entleeren (Iren Haer 1.30.7) usw.<br />
E<strong>in</strong>e kompakte Def<strong>in</strong>ition der Kenosis, ebenfalls aus dem gnostischen<br />
Milieu, erhalten wir bei dem Gnostiker Theodot. Dabei handelt es sich<br />
freilich bereits um e<strong>in</strong>e Auslegung von Phil 2:7. Theodot sagt, die Kenosis<br />
Jesu „des Lichtes“ habe dar<strong>in</strong> bestanden, dass er die Grenze des Horos<br />
überschritten und das Pleroma verlassen habe. Kenosis, Leerwerden, bedeutet<br />
hier also nichts anderes als: die Fülle, das Pleroma verlassen. 104<br />
Es ist kaum zu leugnen, dass die gnostische Auslegung die Intention des<br />
Christushymnus <strong>in</strong> der Tat gut trifft. Sicher wäre die Auslegung des<br />
Christushymnus an diesem Punkt ganz unstrittig, wenn dessen Verfasser<br />
uns den Gefallen getan hätte, auch noch das entscheidende Wort „Pleroma“<br />
h<strong>in</strong>zuzufügen. 105<br />
Mitunter wird als Analogie zu Phil 2:7 auf 2 Kor 8:9 verwiesen:<br />
„Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn <strong>Jesus</strong> Christus: obwohl er reich<br />
ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch se<strong>in</strong>e Armut reich<br />
würdet.“ Das ist <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong>e Parallele, allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne,<br />
wie manche Interpreten me<strong>in</strong>en. Auch 2 Kor 8:9 wird am s<strong>in</strong>nvollsten<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergrund der gnostisch geprägten paul<strong>in</strong>ischen Präexistenz-<br />
Christologie verstanden, mit ihrem Gegensatz von Pleroma/Reichtum auf<br />
der e<strong>in</strong>en sowie Kenosis/Mangel/Armut auf der anderen Seite, 106 vgl. SJC<br />
(NHC III/4) p. 107,1ff.: „e<strong>in</strong> Tropfen aus dem Licht, durch diesen, s<strong>in</strong>d<br />
<strong>in</strong> die Welt des Allmächtigen ausgesandt (worden), damit sie bewacht<br />
werden durch ihn. Und die Fessel se<strong>in</strong>es Vergessens fesselte ihn nach<br />
dem Willen der Sophia, damit die Angelegenheit durch ihn offenbar werde<br />
<strong>in</strong> der ganzen Welt der Armut.“<br />
Alles <strong>in</strong> allem ist offensichtlich, dass dem Verfasser des Christushymnus<br />
bei der Verwendung des Begriffs gnostische Term<strong>in</strong>ologie vor Augen<br />
gestanden haben muss. E<strong>in</strong>e andere Frage ist, wie radikal er sich den<br />
Vorgang der Depotenzierung bei se<strong>in</strong>em Christus vorgestellt hat, sofern<br />
er überhaupt darüber reflektiert hat. An e<strong>in</strong>e völlige Aufgabe se<strong>in</strong>er Göttlichkeit<br />
wird er kaum gedacht haben. Die Kenosis wurde vermutlich, wie<br />
bei Theodot, als e<strong>in</strong>faches Überschreiten des Horos und Verlassen des<br />
Pleroma verstanden. Dafür, dass der Verfasser des Hymnus nicht an e<strong>in</strong>en<br />
Totalverlust des Göttlichen gedacht hat, spricht auch die doketische<br />
Ausdrucksweise, der er sich im Folgenden deutlich bedient:<br />
(4) Dass auch die Annahme der Knechts- bzw. Sklavengestalt (2:7)<br />
auf der Grundlage des oben skizzierten gnostischen Pleroma-Kenosis<br />
Gegensatzes ihren eigentlichen S<strong>in</strong>n erhält, geht schon daraus hervor,<br />
104 Exc ex Theod 2:35.<br />
105 Vgl. auch Exc ex Theod 2:35.<br />
106 Bultmann, Merk 1984, S. 179.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013