Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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des Redaktors gewertet werden, den Satz umzugliedern, um zwischen<br />
Präexistenz und Passion (2:8) noch Zeit für Geburt und messianisches<br />
Wirken Platz zu lassen. Da der Verfasser das genomenos bereits <strong>in</strong> 8b<br />
verwendet hatte, entstand nun e<strong>in</strong>e ungeschickte Wiederholung. Auch die<br />
H<strong>in</strong>zufügung des hōs soll, so paradox dies kl<strong>in</strong>gen mag, den S<strong>in</strong>n gehabt<br />
haben, den marcionitischen Doketismus zu bekämpfen, denn: „Marcion<br />
me<strong>in</strong>te: <strong>in</strong> Mensch(en)-Aehnlichkeit und nur an Haltung e<strong>in</strong> Mensch. Das<br />
hieß: sonst aber ke<strong>in</strong> Mensch! Der Altkatholik me<strong>in</strong>te: <strong>in</strong> Menschen-<br />
Gleichheit seiend und an Haltung wie e<strong>in</strong> Mensch. Das heißt: gerade wie<br />
e<strong>in</strong> Mensch! Und doch nicht bloß Mensch!“ 121<br />
Barnikols Untersuchung enthält e<strong>in</strong>e Reihe bemerkenswerter und<br />
zutreffender Beobachtungen. Allerd<strong>in</strong>gs ist die von ihm gezogene<br />
Schlußfolgerung, die Verse 6-7 müssten im 2. Jahrhundert von<br />
marcionitischen Kreisen <strong>in</strong> den Text des Philipperbriefes <strong>in</strong>terpoliert<br />
worden se<strong>in</strong>, nicht sehr überzeugend. Das Schweigen des Irenäus und<br />
anderer Kirchenväter, die Barnikol zum Beweis anführt, ließe sich auch<br />
aus der Verlegenheit erklären, <strong>in</strong> der sich diese gegenüber der<br />
marcionitischen Vere<strong>in</strong>nahmung des Verses 2:7, <strong>in</strong> dem sie e<strong>in</strong>e<br />
Grundlage für ihren Doketismus sahen, erklären. Abgesehen davon, ist es<br />
nicht zulässig, den Bericht der gallischen Geme<strong>in</strong>den über die Märtyrer<br />
Lugdunums (Hist Eccl 5:2) aus der Liste der Zeugen zu streichen. 122<br />
E<strong>in</strong> gutes Jahrzehnt nach Barnikol und offensichtlich unabhängig von<br />
ihm kam R. M. Hawk<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>em ähnlichen Ergebnis wie dieser. Nur<br />
hält er nicht nur 6-7, sondern 5-11 <strong>in</strong>sgesamt für e<strong>in</strong>e spätere<br />
Interpolation, die von jemandem e<strong>in</strong>gefügt worden se<strong>in</strong> soll, der die<br />
„Realität der wirklichen Inkarnation“ Christi nicht akzeptieren wollte. 123<br />
Auch kann Hawk<strong>in</strong>s im Gegensatz zu Barnikol nicht sagen, wem wir die<br />
Interpolation verdanken, wenngleich se<strong>in</strong>e Anspielung auf jemanden,<br />
„der die wirkliche Inkarnation bestritt“, <strong>in</strong> ähnliche Richtung zu weisen<br />
sche<strong>in</strong>t. 124 Hawk<strong>in</strong>s glaubt, dass der „echte“ Paulus erst nach Beseitigung<br />
verschiedener späterer E<strong>in</strong>fügungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Schriften zum Vorsche<strong>in</strong><br />
gebracht werden könne.<br />
Barnikol und Hawk<strong>in</strong>s haben richtig erkannt, dass es nicht möglich ist,<br />
die vielen Widersprüche und Probleme der paul<strong>in</strong>ischen Literatur ohne<br />
die Annahme von Interpolationen zu lösen. Doch kommt es dabei sehr<br />
darauf an, wie das Verhältnis der verschiedenen literarischen Schichten<br />
zue<strong>in</strong>ander bestimmt wird. Beide Wissenschaftler nahmen an, dass es<br />
e<strong>in</strong>e „rechtgläubige“, d.h. antidoketische, antidualistische Grundschicht<br />
121 Barnikol 1932, S. 99.<br />
122 Dibelius et al. 1937, S. 73.<br />
123 Hawk<strong>in</strong>s 1943, S. 252.<br />
124 Mart<strong>in</strong> 1997, S. 62, A. 1.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013