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Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik

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gängigen Anschauung folgten. Wir haben es offenbar mit e<strong>in</strong>er ganz unabhängigen<br />

Überlieferung zu tun, die ke<strong>in</strong>erlei Verb<strong>in</strong>dung zur neutestamentlichen<br />

Verrats- bzw. Passionsgeschichte erkennen lässt und die auch<br />

nicht als „Midrasch“ von 2:6-8 gelten kann.<br />

Fast ist man an dieser Stelle versucht, <strong>in</strong> dem Text e<strong>in</strong> Indiz für die alte<br />

radikalkritische These zu sehen, dass die Passionsgeschichte der Evangelien<br />

<strong>in</strong> wesentlichen Teilen nichts anderes ist als e<strong>in</strong> historisch e<strong>in</strong>gekleideter<br />

gnostischer Erlösermythos. Die L<strong>in</strong>ien von der mythischen zur<br />

historisierten Version lassen sich leicht ausziehen <strong>–</strong> das Umgekehrte ist<br />

wesentlich schwieriger: So ist es gut möglich, dass aus der noch namenlosen,<br />

nebulös-mythischen Gestalt des „Auslieferers“ die Figur des Verräters<br />

Judas wurde. Aus den mythischen Archonten könnten sich historische<br />

Personen, die „Machthaber“ der Passionsgeschichte entwickelt haben:<br />

der römische Statthalter und die Vertreter des jüdischen Establishments.<br />

Das könnte im Übrigen auch die von Carr beobachtete auffallende<br />

Häufigkeit des Begriffs archontes <strong>in</strong>nerhalb der Passionsgeschichte erklären.<br />

Dass die Priester <strong>Jesus</strong> ohne Hilfe des Judas nicht erkannten,<br />

könnte als e<strong>in</strong> Reflex des Mythos vom verborgenen Erlöser gesehen werden.<br />

Dieser Zug der Erzählung, der <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es historischen Rahmens<br />

natürlich ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n mehr macht, wäre e<strong>in</strong>fach aus dem Mythos mitgeschleppt<br />

worden. Die neun Bronzemünzen wären von Matthäus durch die<br />

30 Silberl<strong>in</strong>ge ersetzt worden, die ihrerseits deutlich auf den Propheten<br />

Sacharja anspielen (11:12.13); der atl. Bezug diente wie so oft dazu, die<br />

neutestamentlichen Heilsgeschichte an das Alte Testament anzub<strong>in</strong>den<br />

und gegen gnostische „Missdeutungen“ zu sichern.<br />

Doch angesichts des fragmentarischen Charakters des Erlösermythos,<br />

den uns die Schrift Der Gedanke unserer großen Kraft erzählt, sowie der<br />

ungeklärten Frage nach Alter und Herkunft der Schrift und den <strong>in</strong> ihr<br />

enthaltenen Traditionen, müssen solche Überlegungen spekulativ bleiben.<br />

Der Nachweis, dass die Passionsgeschichte e<strong>in</strong>e historisierte Fassung<br />

des gnostischen Erlösermythos darstellt, müsste im größeren Rahmen<br />

geschehen.<br />

Es bleibt dabei: Bei den „Herrschern dieser Weltzeit“ <strong>in</strong> 1 Kor 2:6-8<br />

handelt es sich um supratanaturale Wesen bzw. um die Archonten des<br />

gnostischen Mythos, der <strong>in</strong> den gnostischen Systemen des 2. Jahrhunderts<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Variationen überliefert wurde. Wenn dieser Mythos<br />

bzw. wesentliche Bestandteile dieses Mythos dem Verfasser des Kor<strong>in</strong>therbriefs<br />

bekannt waren, woran angesichts des zum Vergleich herangezogenen<br />

Materials und der gänzlichen Unhaltbarkeit von Deutung B<br />

nicht zu zweifeln ist, so muss auch dieser <strong>in</strong> das 2. Jahrhundert datiert<br />

werden. Es sei den, es hätte e<strong>in</strong>e „vorchristliche Gnosis“ oder e<strong>in</strong>e Protognosis<br />

bzw. Gnosis <strong>in</strong> statu nascendi gegeben, wofür es, wie wir <strong>in</strong>zwischen<br />

wissen, ke<strong>in</strong>e Evidenz gibt. D.h. ke<strong>in</strong>e andere Evidenz <strong>–</strong> als Paulus<br />

selbst, d.h. die gnostischen <strong>Elemente</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Sprache und Theologie.<br />

Aber diese Evidenz ist, wie jeder anerkennen wird, trotz des von den Be-<br />

© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013

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